In Schottland hat der oberste Gerichtshof entschieden, dass im Sinne des Gleichstellungsgesetzes nur das biologische Geschlecht zählt, wenn es um die Definition „Frau“ geht. Wann ist eine Frau eine Frau?
Unterstützt von J. K. Rowling, gefeiert von einigen Frauenrechtsgruppen, kritisiert von trans Organisationen.
Ich las die Meldung und blieb hängen. Nicht an der juristischen Begründung. Sondern an der Frage, die dahinter lauert: Wer ist eine Frau, biologisch, rechtlich, gesellschaftlich, innerlich?
Diese Frage trage ich schon länger mit mir herum. Damals, als ich für meinen Blog den Text „Toilettenpass und Menschenrechte“ schrieb, ging es um ein Fernsehinterview.
Eine Frau wetterte sich in Rage über die angebliche Gefahr, die von Transfrauen auf Damentoiletten ausgehe. Sie malte Bilder von Übergriffen, als wäre jede Transfrau ein verkleideter Täter.
Ich fand das absurd. Die meisten Übergriffe auf Frauen passieren im eigenen Umfeld, nicht in öffentlichen Toiletten. Die Panik diente mehr der Ausgrenzung als dem Schutz.
Seitdem ist die Diskussion nicht leiser geworden. Mehrere Transfrauen auf LinkedIn sagten offen, sie verstünden das Sicherheitsbedürfnis beider Seiten. Aber, so ihre Worte, ihre eigenen Bedürfnisse dürften nicht auf Kosten von cis Frauen ausgelebt werden.
Was das in der Praxis bedeutet, zeigen laufende Verfahren.
In Australien klagt Roxanne Tickle gegen die App „Giggle for Girls“, die sie ausgeschlossen hat. Die Gründerin sagt, es sei ein geschützter Raum für Frauen und meint damit biologische Frauen. Ein Gericht gab Tickle zunächst Recht. Die Berufung läuft.
In Deutschland wehrt sich ein Frauenfitnessstudio gegen die Aufnahme einer Transfrau. Die Betreiberinnen wollen einen Raum, in dem sich ihre Kundinnen nicht beobachtet fühlen. Die Klägerin nennt das Diskriminierung.
In Großbritannien zog ein Frauenstudio nach kurzer Inklusion Transfrauen die Einladung zurück. Begründung: Sicherheit und Komfort der Stammkundinnen.
Wann ist eine Frau eine Frau?
Ich geb zu, ich kann nicht nachvollziehen, warum jemand auf Biegen und Brechen unbedingt in genau diese Räume will.
Nicht weil sie nicht dazugehören dürfen, sondern weil der Preis, öffentlicher Streit, Gerichtsverfahren, Mißtrauen und das zerstören von sehr viel Vertrauen und gutem Willen, so verdammt hoch ist.

Vielleicht verstehe ich den inneren Antrieb nicht, weil die Gründe nur sichtbar werden, wenn man selbst betroffen ist.
Frau-sein ist mehr als ein Pass oder ein Chromosomensatz. Es ist auch ein Gefühl, ein Erleben, gesehen werden, ein ständiges Navigieren durch Zuschreibungen und Erwartungen.
Für manche, wie mich, ist es schlicht ihr Körper und ihre Biografie.
Für andere eine Identität, die lange gegen viele heftige Widerstände gelebt wurde und endlich gesehen werden will.
Für wieder andere ist es eine juristische Kategorie mit Rechten und Pflichten.

Die biologische Seite, die alles noch komplizierter macht.
In Deutschland wird geschätzt, dass zwischen 1 in 4.500 und 1 in 2.000 Kindern intergeschlechtlich zur Welt kommen.
Manche haben eine Vagina, aber keine typischen inneren Organe wie Gebärmutter oder Eierstöcke. Andere werden mit Penis geboren, haben aber weibliche innere Organe. Manche kommen mit beiden Geschlechtsteilen auf die Welt und entscheiden sich später für eines.
Eine Freundin von mir hat so viel Testosteron im Körper, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, sie sei keine Frau. Das zeigt mir, wie brüchig diese einfachen Definitionen sind. Wer zieht die Grenze, und nach welchem Maßstab?
Sport, Transfrauen, Fairness…..
Hier wird die Frage besonders scharf diskutiert.
Dort wird versucht mit Regularien, irgendwie eine Art Fairness hinzubekommen.
TransFrauen und intergeschlechtliche Athletinnen werden getestet. Nicht alle Sportlerinnen, nur diese.
Männer mit genetischen Vorteilen wie Phelps mit seinen überlangen Armen beim Schwimmen, Nowitzki der 2 Meter Mann im Basketball etc, das gilt alles als legitimer Vorteil.
Haben Trans-Frauen Vorteile den Cis-Frauen gegenüber?
Trans-Frauen, die in der Pubertät männlich waren behalten tatsächlich oft größere Knochenstruktur, längere Hebel und andere Muskelverteilung.
Laut Studien bleiben selbst nach Jahren Hormontherapie einige Kraft- und Ausdauerwerte über dem Durchschnitt von Cis-Frauen

In Kontaktsportarten wie Rugby spielt das durchaus eine Rolle, es bedeutet für die Spielerinnen ein höheres Verletzungsrisiko.
In anderen Sportarten sind die Unterschiede kleiner oder verschwinden ganz.
Das bringt mich wieder zur Fairnessfrage.
Wo endet ein natürlicher Vorteil und wo beginnt ein unzulässiger? Wenn wir im Sport Testosteronwerte begrenzen, warum nur für bestimmte Gruppen? Und warum gilt das dann nicht für alle Personen, die weit über dem Durchschnitt liegen?
Vielleicht liegt die Antwort nicht in perfekten Regeln, sondern in der Bereitschaft Zwischenräume auszuhalten.
Eine abschließende Antwort hab ich auch nicht. Was ich weiß ist: Respekt füreinander ist nicht verhandelbar. Frauenfeindlichkeit läßt sich nicht dadurch bekämpfen, indem wir eine andere Gruppe von Frauen ausgrenzt, die selbst Diskriminierung erlebt.
Gleichzeitig sind geschützte Räume kein Luxus, sondern für viele Frauen die einzige Möglichkeit sich sicher zu fühlen.

Was ist mit Umkleiden, Schutzräumen, Toiletten?
Hier gibt es ja schon lange funktionierende Modelle: Einzelkabinen, All-Gender-Bereiche zusätzlich zu Damen- und Herrenumkleiden.
Sie nehmen niemandem etwas weg und geben vielen mehr Sicherheit.
Solche Lösungen kosten allerdings Platz, Geld, Planung und auch Mut, aber sie könnten Schutz und Teilhabe möglich machen, ohne ein Gegeneinander.
Das könnte der erste Weg sein, der uns hilft damit aufzuhören, aus dieser Frage einen Kampf, ein ständiges Spalten und Aufreiben zu machen.
Bis dahin müssen wir wohl aushalten, daß es keine sinnvolle Antwort auf die Frage gibt wann eine Frau eine Frau ist.