Als Kind schon war ich die, die selten auffiel, wenn dann durch Leistung.
Die funktionierte, pünklich war, gute Noten hatte, aber ansonsten still in der Klasse.
Still und leise, nicht weil ich nichts zu sagen gehabt hätte, es war sicherer so.
Stark weil es sonst keiner für mich war, niemand als Schutz, als Rückhalt, niemand um mich zu stärken, zu bestärken.
Burnout bei Frauen ist nie „nur“ Überlastung im Beruf. Da stecken meistens ganze Lebensgeschichten mit Überlastung, Überforderung und Schmerz dahinter.
Das hier ist eine sehr persönliche Geschichte, keiner meiner üblichen Blogartikel. Ich will anderen damit helfen, auch ein wenig die Angst davor zu nehmen, auf sich zu achten, auf die Signale ihres Körpers, sich Hilfe zu holen.
Burnout bei Frauen, Erfahrungsbericht von ganz tief drin? Wow wie melodramatisch.
Ich wollte nie stark sein, nicht die taffe, die sich selbst verteidigen, alles alleine hinbekommen kann.
Ich wollte so gerne weich sein, auch mal beschützt werden, schwach sein dürfen.
Wollte mich gerne anlehnen und vertrauen.
Da war nur niemand, an den ich mich hätte anlehnen können, niemand die ab und an mal für mich stark gewesen wäre, mich beschützt.
Also hab ich alles alleine gemacht, gewuppt, Gefühle runtergeschluckt, Rechnungen bezahlt, Tränen wegorganisiert und gelächelt. Immer die gut gelaunte, starke gespielt, die alles schafft, locker flockig doch.
Stark sein war keine Entscheidung, es war ein Reflex, ein Überlebensmuster für mich.
Eines das funktioniert hat, bis es das dann irgendwann mal nicht mehr tat.
Die Frauen, die nie zusammenbrechen dürfen.
Ich kenne diese Frauen, wie ich früher eine war.
Diese Frauen, die morgens pünktlich sind, im Büro, an der Schule, in der Kita, die Nachts noch die Hausaufgaben der Kinder korrigieren und Muffins für die Kita backen, die die Termine für die ganze Familie im Kopf jonglieren, im Elternbeirat mitarbeiten, trotz ihres Jobs mit den Kindern beim Arzt sind, oder für den Partner die Anzüge aus der Reinigung holen und nebenbei die Schwiegereltern pflegen…….

Sie lachen viel, sind immer da, fragen wenig aber tragen alles. Und wenn sie dann fallen, fängt sie keiner auf.
Ich schreibe das nicht, weil ich Mitleid will.
Ich schreibe es, weil es viele von uns gibt – mit fast derselben Geschichte.
Und weil ich glaube, dass sie endlich erzählt werden muss. Laut. Und ohne sich dafür zu schämen.
Ich war früher die Weltmeisterin im Aushalten
Ein sehr kluges Kind, wach, neugierig, schnell im Begreifen aller Inhalte im Unterricht. Verantwortungsvoll.
Ich wußte wie man Dinge erledigt, wie ich sie wieder hinbiegen kann. Nicht laut, aber ich war da, unsichtbar, zuverlässig, verfügbar.
Trotzdem war ich irgendwie nie gut genug. Ich war ja auch nur ein Mädchen.
Egal wie gut meine Noten waren, mein Bruder hatte schlechtere Noten, aber er wurde bewundert und gelobt. Ich übersehen.
Ich hab gespürt was, was die anderen brauchten, mich hat aber keiner gefragt was ich brauche. Ich war die die mitlief, die funktionierte, die still war, und ignoriert wurde wenn ich wackelte.
Und so hab ich gelernt:
Wer geliebt werden will, muss leisten.
Wer gesehen werden will, muss glänzen.
Wer dazugehören will, muss sich zusammenreißen.

Irgendwann war Schluß
Ich hab gerödelt.
Für andere, für mein Bild von mir.
Ich hab durchgehalten, selbst wenn ich innerlich längst am Rand stand.
Ich hab noch ein Projekt übernommen, noch eine Nachtschicht, noch ein Gespräch mit einer Freundin geführt, obwohl ich selbst nicht mehr konnte.
Und dann – war Schluss.
Nicht so, wie man es aus Filmen kennt. Kein spektakulärer Zusammenbruch, keine Krankenwagensirene.
Einfach: Nichts ging mehr.
Nicht aufstehen. Nicht sprechen. Nicht denken.
Ich konnte keine Mails mehr lesen.
Ich konnte keine Einkaufsliste schreiben.
Ich konnte mir nicht merken, wie Zähneputzen geht. Ja klingt lächerlich, war aber tatsächlich so.
Es war, als hätte mein Körper die Notbremse gezogen, weil ich sie nie gezogen hätte. Weil ich nicht mal wusste, dass ich dürfte.
Rauskommen hab ich lange nicht geschafft. Ganz lange.
Ich hab nicht funktioniert. Nicht ein bisschen.
Ich war nicht traurig, ich war leer.
Ich war nicht überfordert, ich war gar nicht mehr erreichbar.
Ich hab nicht mehr gedacht, dass irgendwas hilft. Ich hab nicht mal gedacht.
Ich hab rumgelegen. Nicht meditiert. Nicht reflektiert. Nicht geheilt. Nur… dagelegen.
Und .. nichts.
Duschen war wie ein Bergsteigen.
Anziehen ein Kraftakt.
Eine WhatsApp lesen, unvorstellbar.
Ich war müde auf Zellebene.
Nicht weil ich zu wenig geschlafen hatte, sondern weil nichts mehr in mir gespeichert war.
Nach einer Weile hab ich es zumindest geschafft, einmal durch die Stadt zu fahren, in eine Klinik von der mir eine Freundin erzählt hatte. Ich, die nie vor anderen heulen konnte, ich hab die ganze Fahrt durch nicht aufhören können zu weinen.

Der arme Pförtner in der Klinik, ich bin bei ihm aufgetaucht, hab nur noch gesagt „ich brauch Hilfe, ich weiß nicht mehr weiter, ich kann nicht mehr, keine Ahnung wie es weitergeht wenn sie mir nicht helfen können“.
Die diensthabende Ärztin hat dann fast 2 Stunden mit mir gesprochen, mich tatsächlich wieder halbwegs beruhigen können und mir dann einen Termin beim Stationsarzt der Tagesklinik gegeben.
Der hat dann beim Termin auch lange mit mir gesprochen und mich dann auf die Liste gesetzt, sobald ein Platz frei würde wär ich drin.
Mein Glück war, es sprang jemand ab und ich konnte relativ schnell dabei sein.
Wenn ich zugebe, daß ich kurz vor dem Burnout bin, dann komm ich doch in die Geschlossene, so wie im Film……
Damit einigen von Euch die Angst und Sorge davor genommen wird, erzähle ich euch jetzt was ich erlebt habe, als ich um Hilfe gefragt habe. So wie im Film war da gar nichts.
In die geschlossene, wie es so schön heißt, kommen Menschen die Erkrankungen haben bei denen die Gefahr besteht sie könnten sich oder anderen etwas antun.
Auf meiner Station zum Beispiel war jemand die von dort kam.
Sie war so überfordert gewesen, daß sie auf dem Weg von der Arbeit heim im Park gelandet ist und dort 6 Tage und Nächte geblieben ist. Sie war nicht mehr in der Lage zu sagen wer sie ist, was sie dort tut etc.
Ihre Familie hatte schon verzweifelt nach ihr gesucht.
Als sie wieder soweit stabilisiert war, daß sie ohne Gefahr entlassen werden konnte wurde das auch sofort gemacht, sie kam dann zur weiteren Stabilisierung in die Tagesklinik.
Sie war hochgebildete Akademikerin, hatte einen sehr verantwortungsvollen Job, ist aber so extrem über ihre Grenzen gegangen, bis sie nicht mehr in ihr selbst vorhanden war.
Ja auch so kann ein Burnout aussehen!
Klinik, das ist doch spookie
Nein ist es nicht. Nicht wie in den Filmen. Im Gegenteil, da war überhaupt keine Krankenhausatmosphäre, es wirkte eher wie eine große WG. Es gab eine Gemeinschaftsküche mit Eßbereich, mehrere große Räume für Gruppensessions, Räume für Bewegungstherapie, für Kunsttherapie und auch für Einzelgespräche.

Klinik? Wie lange ist man denn dort und schläft man da auch?
Ich war damals 3 Monate in einer sogenannten Tagesklinik.
Das ist wie ein Job von 9.00 – 17.00 an 5 Tagen die Woche, nur mit Mittagessen und Therapie statt viel Arbeit. Da war viel Gruppentherapie, also einfach Gespräche innerhalb der Gruppe mit einem Therapeuten dabei, wer erst mal nichts sagen will die sagt halt nichts. Nicht jedeR kann oder will sich sofort öffnen und zeigen. Zusätzlich gab es eben Bewegungs- und Kunsttherapie weil viele Menschen auf der Nonverbalen Ebene viel besser ansprechbar sind.
Nein du wirst nicht mit Medikamenten ruhig gestellt oder zugeballert, außer du brauchst es wirklich zeitweise wie o.g. Mitpatientin.
Nach den 3 Monaten bist du natürlich noch nicht wieder komplett fit und quietschlebendig. Etwas was so lange in dir war braucht auch entsprechend Zeit und Geduld um zu heilen. Du bist nach der Tagesklinik aber wieder soweit, daß du dein Leben wieder zusammensetzen kannst, dir einen niedergelassenen Therapeuten suchen kannst, andere Hilfsangebote finden und wahrnehmen kannst. Also der Anfang wird dort gemacht.
Du bist in der Regel auch danach noch nicht sofort wieder gesund geschrieben, für den Wiedereinstieg in den Job gibt es Möglichkeiten wie z.B. das Hamburger Modell wo die Krankenkasse für einen bestimmten Zeitraum dein Gehalt übernimmt und du erst einmal Stundenweise vorsichtig wieder anfängst um herauszufinden wie belastbar du dann schon wieder bist oder eben auch nicht. Du findest das raus, du sagst wie viele Stunden du dir zutraust! Die meisten Arbeitgeber finden das gut, sie haben deine Arbeitskraft zumindest ein paar Stunden täglich und müssen es nicht mal bezahlen.

Was hat mir persönlich dann langfristig geholfen?
Tja, langfristig hat mir kein Gesprächstherapeut geholfen sondern die Kunsttherapie. Sowohl die Gruppe die mich getragen hat, mir gezeigt hat, wie es sich anfühlen kann wenn ich mich sicher fühle. Einfach angenommen zu werden, ohne etwas leisten zu müssen.
Kunsttherapie.
Nicht als Methode, nicht als Ziel.
Ein Raum, eine Gruppe.
Farben, Möglichkeiten, Menschen, Sicherheit.
Ohne „Wie sieht’s aus?“
Ohne „Was soll das bringen?“
Und das war zum Ersten Mal, daß man mich nicht gedrängt hat.
Nicht bewertet hat.
Nicht gefordert hat.
Nur gehalten.
Und das war neu. Und irgendwann auch heilsam.
Und heute?
Heute bin ich nicht „wieder die Alte“, will ich auch gar nicht sein.
Ich bin nicht geheilt, ich bin anders, weicher, wacher, langsamer.
Ich kann wieder lachen, nicht das höfliche Lächeln und Lachen hinter dem ich mich so lange versteckt habe, sondern so richtig, von innen raus.
Ich passe besser auf mich auf, nicht immer aber immer öfter. Spüre schneller wenn es mir zuviel wird, setze meine Grenzen, rechtzeitig, sag NEIN, auch zu Menschen die es von mir nicht gewohnt waren.
Manchmal bin ich müde, nicht erschöpft, einfach müde, und dann leg ich mich halt hin, ohne mich dafür zu rechtfertigen.
Ich wollte nie stark sein.
Heute bin ich es trotzdem, aber anders, ich halte nicht mehr alles aus, ich bin stark genug STOPP zu sagen.
Wer mehr über Burnout bei Frauen erfahren will, ich hab einen „Was ist… Burnout bei Frauen“ Blogartikel geschrieben wo ich es erklärt habe woran du sowas bei dir erkennen kannst, welche Studien etc es dazu gibt wie zum Beispiel die Beschreibung der WHO was ein Burnout sein kann (meiner Ansicht nach viel zu kurz gegriffen).
Bitte bitte bitte, wenn du glaubst du könntest betroffen sein, mach dich nicht alleine, hol dir Hilfe, rede darüber. Warte nicht bis du zusammenklappst, dann geht meistens mehr kaputt als „nur“ deine Psyche. Steht auch alles in dem Blogartikel.
Wenn du niemanden zum Reden hast darüber, funk mich an.

Das wars für heute, diesmal sehr persönlich
Toni
Hallo Toni,
was für ein sehr persönlicher Beitrag. Du hast mir so aus dem Herzen geschrieben. Aus eigener Erfahrung kann ich jeden Satz nur bestätigen.
Inzwischen ist es schon fast 20 Jahre her, aber immer wieder muss ich mich konzentrieren um bei mir zu bleiben und nicht in die alten Muster zu verfallen. Und ich sehe bei soooo vielen Frauen, dass sie auf dem besten Weg Richtung Abgrund sind.
Bleibe weiter bei dir und alles Gute für deinen Weg.
Susanne
Hallo Susanne, ich weiß genau was du meinst.
Ich muß genauso immer wieder schaun daß ich nicht wieder in die alten Muster verfalle.
Die Frauen die auf diesem Weg sind in den Abgrund sehe ich auch, genau da will ich mit dem Café Ruhepol gegenwirken.
Ihnen Möglichkeiten aufzeigen wie sie bremsen können, sich selbst wieder erden und luftholen können.
Wir können uns gemeinsam stärken und helfen. Dann fliegen vielleicht nicht mehr so viele in diesen Abgrund, jede ist eine zuviel.