Wenn du Dauermüde bist, liegt es nicht an dir.
Du bist nicht faul, nicht undiszipliniert, nicht empfindlich.
Vielleicht bist du einfach erschöpft.
Nicht vom Leben, sondern vom Funktionieren.
Du bist nicht falsch, weil du dich nicht jeden Morgen aufspringst wie ein „Jack in the box“, so ein Clown in der Schachtel, mit Sprungfedern, der rausknallt sobald der Deckel auf ist.
Sondern du spürst genau: Da ist etwas, das nicht mehr stimmt.
Dein Körper schreit. Deine Seele flüstert. Und dein Kopf? Der rechnet weiter.
Dauermüde kommt aus der Seele, nicht von zuwenig Schlaf.
Du bist müde, weil du zu viel trägst. Nicht, weil du zu wenig tust.
Du hältst die Familie am Laufen, das Business, die Stimmung, den Überblick. Du tust, was getan werden muss, und noch viel mehr. Und wenn du dann müde bist, heißt es: „Dann schlaf halt mehr.“
Aber Schlaf ist kein Heilmittel, wenn die Ursache eine andere ist: Daueranspannung. Reizüberflutung. Verantwortung. Fehlende Pausen. Zu wenig echte Unterstützung. Ein System, das genau das von dir verlangt.

Diese Müdigkeit hat viele Gründe, tiefe strukturelle Gründe im System.
Da mein ich mehr als eines.
Erst mal unsere Gesellschaft die so sehr auf Leistung und Profil getrimmt ist, dabei aber die Leistungen für Care Arbeit absolut nicht wahrnimmt oder belohnt.
Ich meine auch die Arbeitswelt, die ständige Verfügbarkeit voraussetzt und selten flexibel ist für Fürsorgearbeit und entsprechende Termine.
Ich meine aber auch unsere Beziehungen, die oft die alten Rollenbilder still weitertragen.
Ein Beispiel, neulich erst bei LinkedIn gelesen: Ein Paar mit zwei kleinen Kindern, beide berufstätig in Vollzeit. Und doch war sie es, die immer die Kinder abholte, Termine organisierte, den Alltag regelte. Bis es eines Tages nicht mehr ging. Sie rief ihn an und sagte: „Du musst heute die Kinder holen.“ Seine Antwort: „Ich habe eine Vollzeitstelle. Ich bin nicht so flexibel wie du.“
Erst da wurde ihr klar: Auch sie arbeitet Vollzeit. Aber nur sie wird als flexibel gesehen. Nur sie wird automatisch zur Verantwortlichen. Sie stellte ihn vor die Wahl: Entweder er findet mit seinem Team eine Lösung, oder er reduziert auf Teilzeit, so wie viele Frauen es tun. Erst in diesem Moment erkannten beide, wie tief das System in ihrem Alltag verankert ist. Bei den Beiden hat er dann Lösung 1 gewählt und sie funktioniert wunderbar.
Dann sind da natürlich auch unsere eigenen inneren Stimmen, die uns einreden wir müßten das alles schaffen, still, freundlich, ohne Widerworte. Wir wären ja sonst keine guten Mütter, Hausfrauen, Töchter, Mitarbeiterinnen…..

so viele Gaps/Lücken
Wenn wir über Gerechtigkeit reden, müssen wir über Lücken reden. Über Gaps, die Frauen Tag für Tag ausgleichen.
Frauen tragen die Hauptlast der Care-Arbeit. Sie managen den Mental Load. Sie versorgen, organisieren, regulieren, oft unbezahlt, oft ungesehen. Das ist der Care Gap. Der Mental Load Gap. Und es gibt weitere:
Die Pay Gap: weniger Lohn für gleiche Arbeit.
Die Pension Gap: Altersarmut vorprogrammiert.
Die Health Gap: Medizin, die den männlichen Körper zum Maßstab macht.
Die Voice Gap: weniger Sichtbarkeit, Einfluss und Gehör.
Der Karriere Gap durch Kinderbetreuungszeiten, Teilzeitarbeit etc. keine Beförderung
Und als ob all das noch nicht reicht kommen die schönen altmodischen Sachen wie Sexismus, Mansplaining, Machtspielchen, Patriarchat auch noch mit ins Spiel.
Und bei alledem soll sie ruhig, freundlich, belastbar und lösungsorientiert bleiben. Das hübsch und adrett aus der 60er Jahre Werbung laß ich jetzt mal aus, das kommt selbstverständlich ungesagt auch mit dazu.
Erschöpfung bei Frauen, einfach mehr schlafen??
Diese Erschöpfung ist systemisch. Sie zeigt sich im Körper, der nicht mehr loslässt. Im Geist, der keine Ruhe findet. In der Seele, die irgendwann nur noch durchhält. Schlaf allein reicht da nicht. Das Nervensystem ist längst im Dauer-Alarm.
Was hilft? Erst einmal: das zu erkennen.
Diese Müdigkeit ist kein Zeichen von Schwäche. Sie ist ein Weckruf.
Im Blogartikel „Meine ToDoListe heißt Trollinchen“ habe ich einige Tipps und weiterführende Infos dazu. Tipps um rauszukommen aus dem Hamsterrad, Infos warum es uns so schwer fällt Lücken und Pausen im Tag zu ertragen und vieles mehr.
Wir brauchen ein anderes System. Eines, das nicht von ständiger Funktionstüchtigkeit ausgeht. Eines, das Pausen ermöglicht, statt sie zu belächeln. Eines, das Grenzen respektiert, auch wenn wir sie selbst nicht mehr spüren.
Unsere Gesellschaft muß aufwachen
Was wir brauchen sind Kindergärten mit flexiblen Öffnungszeiten und ausreichend Personal, ebenso Kitas, Schulen mit guter Nachmittagsbetreuung, Arbeitgeber die mitdenken, flexibel sind und damit all das Potential daß diese Frauen zu bieten haben nutzen. Für unser aller Vorteil.

Und bis es soweit ist, brauchen wir Räume. Für Müdigkeit. Für Wahrheit. Für gegenseitige Stärkung.
Du bist nicht kaputt. Du bist wach. Und vielleicht ist einfach nur das System müde, in dem du dich bewegst.
für die Statisikfans unter uns mal ein paar Zahlen
1. Burnout trifft Frauen stärker – und kostet viel
Eine Untersuchung aus Schweden zeigt: Burnout verringert das Nationaleinkommen um rund 2,3 %. Frauen sind davon besonders betroffen – sie erleiden Burnout dreimal häufiger als Männer
Wenn wir das auf Deutschland übertragen (BIP 2024: ca. €4.5 Billionen), sprechen wir allein durch verminderte nationale Einkommen über €100 Milliarden jährlichen Verlust, nur wegen stressbedingtem Ausfallen.
2. Globale Wirtschaftsrückgänge durch mentale Erkrankungen
Laut der WHO gehen durch Depression und Angststörungen weltweit etwa 12 Milliarden Arbeitstage pro Jahr verloren – das entspricht rund 1 Billion USD an Produktivitätsverlust laut
Weltgesundheitsorganisation
Frauen sind dabei überproportional betroffen.
3. Mental Load, weniger Aktivität und Einfluss
Eine britische Studie fand: Wer unter Mental Load leidet, zieht sich nicht nur aus der Familienorganisation zurück, sondern zeigt weniger Interesse an politischem und beruflichem Aufstieg, der Mittelwert lag bei minus 0,045 Standardabweichungen
Das wirkt sich langfristig auf Innovation, Führungsnachwuchs und Diversität aus, mit gravierendem volkswirtschaftlichem Schaden.
4. Unbezahlte Arbeit bleibt unsichtbar, fehlt im BIP
Weltweit leisten Frauen durch unbezahlte Care- und Hausarbeit Dienstleistungen im Wert von bis zu 40 % des BIP. In der EU wäre das allein fast €6 Billionen jährlich
Wikipedia
. Diese zentrale Leistung bleibt unsichtbar – mit Folgen für Rentenlücken, Teilzeitarbeit und Fachkräftemangel.
5. Gender-Gaps hemmen Wirtschaftsleistung
Forscher*innen vom EIGE zeigen: Wenn wir diese Ungleichheiten schließen (Bezahlung, Care, Erwerb), könnte das EU‑BIP bis 2050 um fast 10 % steigen, also um mehrere Billionen Euro
Diese Kosten tragen wir alle
Mehr Burnout, höhere Krankschreibungen, geringere Produktivität ➝ > €100 Mrd Verlust
Globale Ausfälle durch psychische Erkrankungen ➝ 1 Bio USD jedes Jahr
Verlorene Innovationskraft und weniger Beteiligung im Job
Unsichtbare Care-Arbeit ➝ €6 Billionen jährlich fehlen im BIP
Ungenutztes Potenzial durch Gender-Gaps ➝ +10 % BIP bis 2050 möglich
Schon ganz schön happig find ich.
Laßt uns zusammenhalten und das ändern, alle gemeinsam kriegen wir das hin. Ja damit mein ich auch euch Männer, wenn müssen alle ran.
Wenn wir etwas verändern wollen, dann gemeinsam. Nur so kann es gehen.

bis neulich dann mal wieder
Toni vom Café Ruhepol
Über Kommentare freu ich mich natürlich besonders