Dieser Blogbeitrag richtet sich an alle, egal wie du sozialisiert wurdest oder dich heute siehst. Es geht um die Erfahrungen, die wir von klein auf gemacht haben, und wie sie unsere Beziehungen prägen.
Es geht um Mental Load, um Macht in der Beziehung und die eigene Identität.
Und da ich eine Frau bin kann ich auch nur aus weiblicher Sicht schreiben.
Männer bitte gerne aus ihrer Sicht kommentieren, wenn einer einen Gastbeitrag schreiben möchte, herzlich gerne.
Das Geschenk für seine Mutter
Auch wenn ich keine Kinder habe, kenne ich dieses automatische „Mitdenken“.
Ich ertappe mich dabei, wie ich denke: „Ich muss noch an das Geschenk für seine Mama denken. Ich muss es besorgen, einpacken, und ihn daran erinnern, dass er Blumen kauft. Und dass er die Karte unterschreibt, die ich schon besorgt habe.“
Irgendwann hab ich dann mal die Bremse eingelegt.
Wieso muß ich an den Geburtstag SEINER Mutter denken?
Er ist erwachsen, er hat ein Handy mit Kalender drin, da kann er sich sowas eintragen.
Sie fragen was sie sich wünscht kann er auch, in die Stadt fahren es holen….
Mein Kopf kam sofort mit „na weil er es vergessen würde, weil er nicht das richtige kaufen würde…“
Automatisch, als wäre er ein kleiner Junge.
Als wäre ich verantwortlich dafür wie er in der Welt dasteht (oder ob seine Mama traurig wäre).
Wenn er es verpennt hab ich ein schlechtes Gewissen, als hätte ich versagt.
Inspiration von Müttern die die Ferienorga gewuppt haben.
Ich sah auf LinkedIn Posts von Frauen, die stolz erzählten, wie sie seit Februar die Ferien durchgeplant hatten: Kinder untergebracht, Urlaub durchgetaktet, alle bespaßt, und jetzt könnten sie endlich durchatmen.
Wow stolze Leistung, keine Frage liebe Mütter. Leider kommt jetzt ein ABER.
Und ich dachte nur: WTF?
Haben die Kinder nicht zwei Elternteile?
Warum tragen Frauen alles allein, selbst wenn beide im Urlaub sind?
Ist der Partner ein weiteres Kind, daß mitgedacht werden muß?
Genau das ließ mich nicht los.
Der Dialog dazu in meinem Kopf
A: „Wenn ich es ihn alleine erledigen lassen verpennt er es und ich darf es dann auf den letzten Drücker richten.“
B: „Es ist seine Mutter, wenn er es verpennt, dann muß er halt ohne Geschenk und Blumen bei ihr auftauchen. „
A: „Dann bin ich die böse Schwiegertochter, die nicht dafür gesorgt hat daß der Junge ein Geschenk für sie hat.“
B: „Der Junge ist ein erwachsener Mann, im Job bekommt er doch auch alles allein geregelt, warum bist du die böse wenn er es verpennt?“
A: „schlechtes Gewissen bla fasel…..“
Den Rest dieses inneren Monologes kennt glaub ich jede.
Was mich nicht mehr losgelassen hat waren so Gedanken: Wieso hab ich ein schlechtes Gewissen wenn er, ein erwachsener Mann, sowas versemmelt?
Wieso hab ich das Gefühl es wäre meine Verantwortung?
Da liegt einiges drunter was richtig weh tut.
Es ging gar nicht um Blumen oder Geschenke. Irgendwie ging es da viel um meine Identität in der Beziehung.
Als ob die Verantwortung mit Liebe verknüpft sei, als ob loslassen sich auch wie ihn verlassen, wie Liebesentzug anfühlte.
Der Gedanke diese Verantwortung ganz loszulassen fühlte sich an als wär ich dann weniger Partnerin, weniger wert, nicht richtig. Sehr unangenehm leer.

Was hat Mental Load mit Macht zu tun?
Während ich schrieb, recherchierte und mit Chattie Sparring gemacht habe wurde mir immer deutlicher klar: Wer die volle Verantwortung trägt, bestimmt auch wie die Dinge laufen.
Klar ist das viel Last und Anstrengung, es ist aber auch Macht.
Es macht die Beziehung irgendwie schief, ich übernehme alles, er bleibt außen vor.
Ich verlier ein bisschen den Respekt vor ihm, es fühlt sich an wie früher daheim zwischen meiner Mutter und meinen Brüdern.
Strategische Schlamperei
Meine Brüder waren da riesig drin. Wenn sie irgendwas machen sollten, wurde es gemacht, halbschaurig. Spülmaschine ausräumen und die Sachen irgendwohin packen, nur nicht dorthin wohin sie gehörten. Rote Shirts in weiße Wäsche werfen…..
Ein bis zweimal so gemacht, und sie mußten es nie wieder machen, dafür hatten sie ja Schwestern. Jungs können sowas halt nicht.
Damals hab ich mich nur drüber geärgert, wieso sollten die das nicht können, müssen sie es halt lernen.
Das machen viele viele Männer auch heute noch, unbewußt läuft da der Gedanke „ich mach es eh nicht richtig aber ich zeig mal guten Willen“ und genauso wird dann auch das Ergebnis. Genau wie bei meinen Brüdern damals.
Nur sind diese Männer keine Teenies mehr.
Da ist verdammt viel Gesprächsbedarf in Beziehungen, aber auch in uns selbst (ich halte da oft lange Selbstgespräche).
Es zupft gewaltig am Selbstbild, an der eigenen Identität. Bei beiden Geschlechtern denke ich mal.
Perspektivwechsel
Wenn ich ständig die Verantwortung auch für dich übernehme, entmündige ich dich.
Ich behandle dich wie ein weiteres Kind.
Wenn ich immer alles rette, geb ich dir keine Chance es zu lernen und zu wachsen.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, wenn ich immer alles übernehme, ist es oft nicht Fürsorge sondern Kontrolle (der hat echt weh getan).
Ich hab Angst, davor was passiert, wenn ich loslasse.
Angst davor, daß ich weniger wert bin wenn ich nicht alles zusammenhalte.
Schwierig loszulassen? Aber hallo
Klar wird die Kita, Schule etc erst mal trotzdem automatisch bei dir anrufen.
Wenn ihr das klar geregelt habt, wer wofür verantwortlich ist, darfst du das einfach weitergeben. Ohne schlechtes Gewissen!
Nochmal WTF interessiert es denn wirklich was xy von dir denkt (falls diejenigen sich überhaupt für dich interessieren)? Und wenn sie dich für ne schlechte Mutter, Ehefrau, Partnerin oder Gänseblümchen hält. Sie lebt nicht dein Leben.
Klar ist es megaschwierig sich da immer wieder die Erlaubnis zu geben, immer wieder gemeinsam darüber zu reden und zu entscheiden. Hat keine gesagt es wäre einfach.
Trotzdem, leichter als ein Burnout ist es auf jeden Fall. Und das kann ich definitiv aus Erfahrung sagen, Burnout ist sch…..

Ich kann nur sagen was all die Recherche und Sparring mit Chattie dazu in mir ausgelöst haben.
Da war viel Angst und Unbehagen dabei.
Vieles was ich selber noch gewaltig bearbeiten darf.
Ich hab da in mir ein Wespennest angestochen.
Schreibt mir bitte wie es euch damit geht. Wie ist bei Euch das Gefühl beim Gedanken die nächste Ferienorga am Jahresanfang komplett ihm zu überlassen? So ganz ohne Plan B und nachkontrollieren?
Wie geht es den Männern bei dem Gedanken diese Verantwortung zu übernehmen, Fehler zu machen, Chaos zu verursachen, erwachsen zu sein in der Richtung.
Das Thema ist noch lange nicht abschließend bearbeitet, ich hab so viel gefunden während ich das geschrieben habe.
Wußtet ihr z.B. daß viele kurdische Exil-, Kultur und insbesondere politische Gruppen Parität nicht als „Frauenquote“ irgendwann draufgeklebt haben, sie haben es als Grundprinzip in den Satzungen. In der kurdischen Befreiungsbewegung gilt Patriarchat als Hauptunterdrückungsstruktur. Geschlechterbefreiung ist nicht Beiwerk, sondern gleichrangiges Ziel neben nationaler Selbstbestimmung.
Dazu gehört natürlich automatisch auch daß alle, egal welches Geschlecht (auch wenn in dem Fall jetzt nur Mann/Frau gesehen werden) die volle Verantwortung übernehmen.
Das Entscheidende ist dabei, es ist kein Nachbessern eines Männer-Systems wie bei uns, sonder ein System daß von Anfang an Gleichstellung mit einbaut. Darum wirkt es stabiler als Quoten in westlichen Parteien oder Unternehmen, die immer noch mit „Ausnahme“ oder „Förderung“ belegt sind.
Ich bin darauf gestoßen im Podcast von unverschämt & unbequem den ich nur wärmstens empfehlen kann.
Wer wissen will wie man mit Mental Load umgehen kann, außer zu überlegen was davon wir abgeben können wäre hier ein toller Blogartikel dazu von Heike Petersen.
Zum Thema Schuldgefühle und schlechtes Gewissen hab ich hier was geschrieben.
Ich weiß, wie einsam es sich anfühlt, wenn Verantwortung und Liebe sich so verheddern.
Im Café Ruhepol halte ich Raum dafür. Kein Ratgeber, kein „mach’s besser“. Nur ein Platz, an dem du für einmal nichts zusammenhalten musst.
Ich werd da noch gewaltig in mir arbeiten zu dem Thema.
Da ist sehr viel drin worüber ich noch nachgrübeln will.
Bis dann
Toni vom Café Ruhepol








