Häusliche Gewalt.
Der Begriff ist sehr bekannt, es gibt ihn in der Kriminalstatistik.
Klingt doch auch irgendwie kuschelig. Ok, Gewalt an sich nicht.
Aber häuslich. Das ist etwas was uns als Öffentlichkeit doch irgendwie nichts angeht.
Ist doch bei denen daheim. Also privat irgendwie.
Ist es nicht. Überrascht jetzt vermutlich auch niemanden.
Es ist Gewalt. Nicht mehr und nicht weniger.
Und sie ist Alltag, war jahrhundertelang sogar erlaubt und anerkannt.
Und es ist leider immer noch die Art von Gewalt, der Frauen am allermeisten ausgesetzt sind.
Warum ist häusliche Gewalt anders als einfach nur Gewalt?
Sie ist etwas anderes und auch wieder nicht.
Sie findet dort statt, wo wir uns eigentlich sicher fühlen sollten.
Daheim.
Im sogenannten sozialen Nahraum, also durch Menschen, denen du vertraust, und/oder von denen du abhängig bist wie Partner*innen, Ex-Partner*innen, Familienangehörige.
Sie ist eben nicht zufällig, nicht situativ oder anonym.
Sie trifft dich genau dort, wo du eigentlich geschützt sein solltest.
Sie nutzt genau das Vertrauen, auf dem diese Beziehungen basieren, als Waffe.
Leider ist sie auch nicht einmalig wie eine Schlägerei irgendwo, sie passiert wieder und wieder.
Ist halt auch komplexer, ein Geflecht aus Angst, Scham, Abhängigkeit, Hoffnung und Nähe.
Und sie zielt nicht nur auf den Körper, sondern auch auf Selbstwert, Wahrnehmung und Realität.
Häusliche Gewalt hat viel mit Macht und Kontrolle zu tun. Sie ist nicht einfach „nur“ ein unkontrollierter Wutausbruch. Darüber habe ich auch schon in Gewalt gegen Frauen geschrieben. Dort findest du auch viele Links und Hinweise zu Hilfsangeboten.

Wieso hat sie so zugenommen?
Hat sie vermutlich gar nicht, sie ist nur sichtbar geworden.
Früher war Gewalt im häuslichen Raum „Privatsache“. Sie ist schlicht nicht mitgezählt worden, auch nicht geahndet.
Bis weit ins 20. Jahrhundert galt in Deutschland das sogenannte Züchtigungsrecht des Ehemannes. Er durfte ungestraft, mit aller Billigung „in angemessener Weise“ körperliche Gewalt ausüben, um seine Frau „zur Ordnung“ zu rufen.
Gerichte haben Prügel regelmäßig als „Ehekonflikt“ oder „familiäre Angelegenheit“ behandelt, obwohl es nie in einem Paragrafen stand.
Die Juristen waren halt auch nur Männer, hoch lebe das Patriarchat.
Erst 1957 (!) hat das Bundesverfassungsgericht endlich festgestellt, dass verheiratete Frauen kein „rechtliches Gehorsamsverhältnis“ mehr zu ihrem Mann haben.
Bis dahin war sie laut Gesetz an seine „Hausgewalt“ gebunden.
Diese Rechtsprechung scheint sich bis heute noch nicht überall rumgesprochen zu haben.
Vergewaltigung in der Ehe war sogar noch bis 1997 straffrei. Ernsthaft, 1997, nicht 1897…
(Der heutige Bundeskanzler hat damals übrigens dagegen gestimmt, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar sein soll, nur so nebenbei.)
Erst da hat der Bundestag entschieden, dass sexuelle Gewalt in der Ehe genauso strafbar ist, wie außerhalb.
Bis dahin hieß es sinngemäß, dass sie mit dem Ja zur Ehe auch ja zum Sex gesagt hat, immer wenn er das will.
Konservative Politiker (ratet aus welcher Partei vor allem) haben damals hart dagegen gekämpft, sie waren der Ansicht es gefährde die Familie… Ah ja, wenn „Mann“ nicht immer seinen Willen bekommt und darf wann immer er will, ob sie mag oder nicht gefährdet das die Familie… ist klar.
Was haben denn Polizei und Gerichte gemacht wenn sie verprügelt oder vergewaltigt wurde?
Nix, die durften erst einschreiten, wenn akute Lebensgefahr bestand, die
Frau war in der Pflicht, die Wohnung zu verlassen (auf allen Vieren, mit gebrochenen Knochen im Notfall?)

Das hat sich offiziell erst 2002 geändert, mit dem Gewaltschutzgesetz.
Jetzt wird der Täter aus der Wohnung entfernt (kann auch ein befristetes Verbot bekommen die Wohnung oder Umgebung zu betreten) und das Opfer bleibt erst mal.
Zumindest konnte seit dem die Polizei einschreiten, auch wenn sie noch nicht in akuter Lebensgefahr war.
Ich schreibe hier immer von männlichen Tätern und weiblichen Opfern. Ja ich weiß, das gibt es auch umgekehrt. Ist aber erheblich seltener. Deshalb reden wir hier von den patriarchalen Strukturen.
All diese Gesetze waren das Ergebnis harter, feministischer Lobbyarbeit, nicht staatlicher Einsicht. (wenn die meisten Entscheider männlich sind ist es auch nicht so unheimlich verwunderlich)
Warum also ist dieser Begriff so wichtig?
Leider ist diese Geschichte, dieses wirklich Jahrhunderte lange gebräuchliche „häusliche Gewalt ist ok, das ist familiär und Privatsache, Mann hat das Recht dazu“ immer noch in ganz ganz vielen Köpfen.
Selbst heute noch bei vielen Beamt*innen, Richter*innen und Nachbar*innen.
Ohne diesen Begriff und die entsprechenden Gesetze dazu, würde das immer noch nicht als das Verbrechen gesehen und geahndet werden, dass es nun mal ist.
Gewalt ist Gewalt, egal wo und von wem.
Häusliche Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe, Femizide, all das sind strukturelle Probleme, keine Privatsachen.
Nichts wofür Frau sich schämen muss, nichts wo jemand alleine durch muss.
Es gibt Hilfe, Anlaufstellen um Hilfe zu finden und Möglichkeiten unauffällig um Hilfe rufen.
Und jetzt? Was mach ich mit dem Wissen?
Schau hin.
Hör zu
Frag nach
Hol die Polizei
Wenn die Kollegin mal wieder mit einem blauen Auge auftaucht, weil sie ja „so ungeschickt ist und mal wieder gegen die Türe gelaufen ist“.
Wenn du bei Nachbars das Gebrüll hörst.
Wenn du merkst, wie eine Frau zusammenzuckt bei schnellen Bewegungen eines Mannes.
Wenn du merkst, dass eine Frau anscheinend Schmerzen bei der Bewegung hat (unsichtbare blaue Flecken am ganzen Körper)
Wenn du die stummen Hilfesignale siehst, hol Hilfe ohne dich selbst in Gefahr zu begeben.
Egal was. Schau nicht weg, hör nicht weg.
Häusliche Gewalt ist keine Privatsache.
Keine Frau hat das „verdient“.
Kein Mann hat das „Recht“ dazu.
Lieber kommt einmal zu viel die Polizei, als dass einer Frau noch schlimmeres passiert.
Es geht dich etwas an. Es geht uns alle etwas an.
Ja ist manchmal unangenehm hinzuschauen, zu fragen, zuzuhören.
Mach es trotzdem.

Wozu einen der Bundeskanzler nicht alles inspiriert…..
Bis denn dann
Toni vom Café Ruhepol







