⚠️ Inhaltshinweis
In diesem Text geht es um Gewalt gegen Frauen – in Partnerschaften, im Job, im Alltag. Es werden Beispiele genannt (körperliche, psychische und sexuelle Gewalt). Der Text kann belastend wirken.
Wenn du selbst betroffen bist und Hilfe brauchst: Hier findest du eine Liste mit Anlaufstellen und Hilfsangeboten, anonym und kostenfrei.
Einen Warnhinweis vor den Text zu packen hab ich bisher noch nie gemacht, hier scheint es mir aber notwendig. Das Thema ist verdammt vielschichtig, viel mehr als ich zuerst gedacht habe. Es ist mit so vielen Tabus besetzt, ist gesellschaftlich teilweise so normal wie Kaugummi kauen.
Ich spreche hier zwar in erster Linie über Gewalt an Frauen, meistens trifft es aber alle marginalisierten Gruppen, oft sogar gleich mehrfach. Das müssen wir ändern, wir alle.
Was macht es mit uns? Mit uns Frauen, mit uns als Gesellschaft, mit den Männern?
Ja sogar was macht es wirtschaftlich mit uns, denn Gewalt verursacht nicht nur psychische und körperliche Schäden, es kostet auch richtig viel Geld und uns teilweise die Zukunft.
Klingt jetzt total großspurig und überzogen, aber lies den Artikel und sag mir danach ob ich übertrieben habe.
Auch wenn der Beitrag als Überschrift Gewalt gegen Frauen hat, Gewalt ist überall und immer zerstörerisch. Gewalt egal gegen wen oder was ist nie kreativ, bringt nie eine Lösung. Welcher Krieg hat jemals wirklich etwas gelöst?
Gewalt gegen Frauen
Die oft unsichtbare Gewalt gegen Frauen.
Meinst du Gewalt kommt nur bei wenig gebildeten Frauen der „unteren“ Schichten vor? Gut ausgebildeten, erfolgreichen Frauen „passiert“ das ja nicht, die sind zu klug, wissen sich viel zu gut zu helfen, sind zu tough für sowas.
Pustekuchen würd ich mal sagen. Gewalt gegen Frauen kommt überall vor, jede Gesellschaftsschicht, egal wie gut die Bildung, der berufliche Erfolg, völlig egal was.
Hier auch ein guter LinkedIn Post zu diesem Thema, hier ein Beitrag der ARD
Frauen die in Meetings sitzen, ihr blaues Auge gekonnt überschminkt und im Stillen schon Ausreden ala „Ich bin gegen die Tür gelaufen. Ungeschickt wie ich nun mal bin…“ gibt es genug, also schäme dich nicht wenn du eine davon bist. Sprich darüber. Anlaufstellen schreib ich unten alle zusammen.
Körperliche und oder sexuelle Gewalt kommt überall vor, in Villen genauso wie in Sozialwohnungen, in teuren Elitebüros, an der Uni, überall sind Frauen bedroht.
Eine Studie der Charité in Berlin zeigt, daß 76% der Frauen schon mindestens eine sexuelle Grenzverletzung erlebt hat.

Gewalt macht keinen Unterschied.
Es gibt immer noch das Bild in unseren Köpfen: Gewalt trifft vor allem die, die sozial schwach sind, oder wenig gebildet. Oder Frauen die sich „falsch benehmen“ oder „zu freizügig kleiden“.
Schwachsinn, ich kann es nicht anders benennen. Es ist Schwachsinn.
Gewalt trifft Frauen überall, egal wie stark, wie züchtig oder freizügig.
Weltweit erlebt jede 3. Frau in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner (ja ein verschwindend kleiner Teil vielleicht auch durch Partnerinnen). Quelle WHO
In Deutschland berichten 13% der Frauen von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, von der Werkshalle bis ins Vorstandsbüro (Dunkelziffer vermutlich riesig).
Ich verlinke hier ein Youtube Video von Yoko und Klaas, darin wird unter anderem auch gezeigt welche Kleidung Frauen getragen haben als sie vergewaltigt wurden. Es wird insgesamt darin gezeigt was Frauen so tagtäglich erleben.
Schuldumkehr
Diese permanente Schuldumkehr macht die Tat direkt nochmal so schlimm.
„Was hattest du an“, „hättest ihn halt nicht reizen dürfen, nicht widersprechen dürfen“, „warum bist du nicht eher gegangen“, „warum hast du nicht auf dein Getränk geachtet“, „warum hast du was getrunken“
Verdammt nochmal. Scheißegal was eine Frau anhat, ob sie ihm widerspricht, ob sie etwas getrunken hat oder länger auf ner Fete bleibt. NIEMAND, hat das Recht sie zu verletzten.
Dafür gibt es einfach keine Rechtfertigung und die Schuld/Verantwortung dafür trägt der Täter. NUR er, niemals du.
Diese Schuldumkehr ist kein Versehen, sie ist Teil des Systems.
Sie schützt die Täter.
Sie hält Frauen still und klein.
Und sie macht diese Gewalt erst richtig wirksam.
Diese Ausreden sind oft nur die Rechtfertigungen der Täter, damit sie sich nicht so lausig fühlen wie sie sind.
Die perfideste Form der Schuldumkehr spielt sich manchmal sogar in Gerichtssälen ab.
Frauen, die häusliche Gewalt erleben, verlieren nicht selten auch noch das Sorgerecht für ihre Kinder, mit der Behauptung, sie würden die Kinder „manipulieren“ und vom Vater „entfremden“.
Das Deutschlandfunk-Feature „Die Entfremdungslüge“ von Stephanie Schmidt und Heiko Rahms zeigt, wie ein Geflecht aus Pseudowissenschaft, Ideologie und Lobbyarbeit versucht, diese Täter-Logik in Familiengerichte einzuschleusen.
Das Ergebnis: Betroffene Frauen werden doppelt bestraft, einmal durch die Gewalt, und einmal durch ein System, das die Täter schützt.

Stille Hilferufe
Das Handzeichen:
– Handfläche zeigen
– Daumen einklappen
– Finger über dem Daumen schließen
Bedeutet „ich brauch Hilfe aber bitte sprich mich nicht drauf an“
Code Sätze die glücklicherweise immer mehr verstanden werden:
– „Ist Lisa da?“ ist weit verbreitet in Bars und Geschäften, Personal weiß dann: Diese Frau ist in Gefahr.
– Bestellungen in der Apotheke mit einer bestimmten Nummer, bekannt ist hier vor allem „Maske 19„, dann weiß das Personal auch dort daß Hilfe benötigt wird, ohne daß es offen und vor allem auffällig gesagt werden muß.
Wichtig:
Wenn du so ein Signal siehst oder hörst, reagiere ruhig, diskret, sicher.
Keine Vorwürfe, keine Öffentlichkeit. Frag nach, was gebraucht wird. Ruf Polizei oder Hilfestellen nur dann, wenn es wirklich sicher für dich ist. Bring dich nicht in Gefahr.
Die vielen Gesichter von Gewalt
Gewalt ist nicht nur die Faust. Gewalt hat verdammt viele Gesichter und uns allen begegnen sie tagtäglich überall. Manche schreien, manche flüstern, manche verstecken sich hinter dem Anschein von Fürsorge, Religion, Moral oder unternehmerischer Verantwortung.
Ich zähl sie mal auf, vollständig wird die Liste nicht sein, oft ist Gewalt so „normal“ daß wir sie nicht mal mehr bemerken.
Die Zahlen sind nicht nur bedrückende Zahlen, Statistiken, es sind Leben, Familien, Mütter, Töchter und Schwestern, zerstörte Zukunft und Hoffnungen. Alle 2-3 Tage allein in Deutschland! Und es wird kaum darüber geschrieben oder gesprochen, jedes Fußballspiel hat mehr Presse als der Mord an einer Frau durch ihren Partner.
Gewalt ist kein privates Problem. Sie kostet uns Milliarden: Krankenkassen, Justiz, Arbeitsausfälle. Sie kostet Kreativität, Karrieren, Stimmen in Politik und Wirtschaft. Jede Form von Gewalt bremst nicht nur Frauen, sie bremst unsere ganze Gesellschaft.
Die Logik gewalttätiger Männer:
Jede dieser Formen von Gewalt trifft ins Leben. Manche sind sichtbar, viele bleiben unsichtbar oder sind schon so normal daß sie gar nicht mehr bemerkt werden.
Und das macht sie so gefährlich, wer die Folgen trägt kämpft zusätzlich mit Angst, Scham und Schweigen, während sich die Täter oftmals nicht mal als Täter sehen.

Das Bild zeigt es klar: Gewalt ist kein Ausrutscher, sondern eine Logik.
Gewalttätige Männer empfinden Frauen dann als „gleichwertig“, wenn sie kleiner, schwächer, stiller erscheinen.
Steht eine Frau wirklich auf Augenhöhe, wird das als Schieflage erlebt – und Gewalt wird zum Werkzeug, um diese „Ordnung“ wiederherzustellen.
Das ist keine individuelle Macke, sondern ein Symptom patriarchaler Sozialisation: Gleichheit wird nicht als Chance, sondern als Gefahr gesehen.
Dabei ist die Wahrheit schlicht: Augenhöhe nimmt niemandem etwas weg. Sie gibt uns allen mehr.
Was sich ändern muß in den Köpfen
Solange diese Schuldumkehr das Standardnarrativ bleibt, bleiben Täter sicher.
Deshalb:
Anlaufstellen und Hilfe
Wenn du selbst betroffen bist oder jemanden kennst: Es gibt Hilfe, anonym und kostenfrei, rund um die Uhr.
Kein Fazit, ich bin erschüttert und wütend.
Gewalt verschwindet nicht, wenn wir wegsehen.
Sie verstummt nicht, wenn wir weghören.
Sie verliert nur dann an Macht, wenn wir hinschauen, hinhören, ansprechen und sie sichtbar machen. Immer und immer wieder.
Bis es auch das letzte armselige Würstchen kapiert hat und gelernt, seine Aggressionen und Minderwertigkeitsgefühle zu bearbeiten anstatt sie so auszutoben.
Das tut weh, es macht Angst, manchmal rüttelt es an Bildern die wir uns selbst schön zurecht gelegt haben vom Leben.
Aber es ist der einzige Weg, die Scham dorthin zu schieben wohin sie gehört, der einzige Weg etwas zu ändern, zu einer Gesellschaft zu werden die alle gleichermaßen respektiert, in der alle sein können wer und wie sie sind, ohne Angst, ohne Gewalt, ohne ständig kleingemacht zu werden.
Und genau deshalb braucht es Räume wie das Café Ruhepol.
Räume, in denen Frauen nicht kleingemacht werden.
Räume, in denen jede Stimme zählt.
Räume, in denen Schweigen nicht mehr Angst, Scham oder Pflicht ist sondern deine Wahl.
Gewalt gegen Frauen, egal gegen wen geht uns alle an.
Schau nicht weg, bleib nicht schweigend, rede darüber
Toni vom Café Ruhepol

Danke für diesen Beitrag, von Stimmen zu diesem Themenkomplex kann es gar nicht genug geben. Und vor allem auch, dass du die diversen unterschiedlichen Formen von Gewalt aufgelistet hast. Ich bin sicher, viele Frauen denken, sie seien nicht betroffen. Diese Frauen kann dein Artikel ins Nachdenken bringen.
Bei dem Bild zur Logik gewalttätiger Männer wurde mir echt schlecht. Es verletzt mein Gerechtigkeitsgefühl sehr, dass es diese Schieflage gibt. Umso wichtiger, dass das so einleuchtend sichtbar gemacht wird!
Liebe Grüße
Angela
Hallo Angela,
ja mir wurde bei dem Bild auch anders, bestätigt aber mein Gefühl. Egal ob das dann verbale Gewalt ist, oder entsprechende Witze…
Meinem Gerechtigkeitsgefühl geht das auch massiv gegen den Strich. Ich versuche mir aber auch vorzustellen wie unsicher diese Männer, so viele Männer sein müssen wenn ihnen eine starke Frau begegnet. Wenn ihnen eine Frau auf Augenhöhe begegnet, wie viel Angst und Ohnmacht müssen sie empfinden?
Da haben wir alle noch verdammt viel Arbeit vor uns.
lieben Gruß
Toni