Ich war nicht laut, nicht gemein oder beleidigend.
Ich war nur klar.
Ich hab gesagt, was für mich nicht mehr geht.
Nicht im Job, nicht im Gespräch. Nicht in dieser Situation die schon viel zu lange schief hing.
Und trotzdem kam da dieser Blick. 
So eine Mischung aus: „Muß das jetzt sein?“ und „Das hättest du jetzt auch anders sagen können.“
Und diesem Gefühl von Augenrollen und genervtem Einatmen. 
Du darfst ja eine Meinung haben aber wieso dann so??? Offen, laut, deutlich…. so unweiblich.
Ich stand da, mit pochendem Herzen und hab mich nur gefragt was denn jetzt schon wieder falsch war.
Klartext, liebevoll sprechen
Zwischen Klarheit und Kuschelfalle
Klarheit ist kein Angriff, es ist aber auch kein Kuschelkissen.
Wenn du sagst was du denkst, ohne es zu beschönigen, ohne „sorry aber…“, bist du nicht kalt, nicht laut oder unweiblich. Du bist einfach klar und verbunden mit dem was dir wichtig ist.
Trotzdem stehen wir Frauen oft da wie auf rohen Eiern.
Zu Direkt heißt es dann sei verletztend.
Zu Vorsichtig und keiner hört dich
Zu leise und du wirst nicht ernst genommen
Zu deutlich und du bist mal wieder zu emotional.
Gerade Frauen wird beigebracht, sanft zu sein, leise, unaufdringlich……
Auch wenn sie brennen. 
Auch wenn sie Grenzen setzen.

Liebevoll sprechen ist nicht weich sondern wahr
Liebevoll reden heißt nicht: lächeln während du innerlich kochst, leise sprechen während du schreien möchtest, dich entschuldigen weil du Grenzen setzt…
Du bist liebevoll zu dir, das bedeutet nicht daß du böse oder aggressiv zu anderen bist.
Aber es heißt eindeutig:
Das ist kein Kommunikationstraining sondern ein innerer Kraftakt. Immer und immer wieder.
Wenn du dich oft falsch fühlst, sobald du klar bist: Du bist nicht allein
Wir Frauen sind so sehr darauf getrimmt zu dämpfen, zu beschwichtigen, Harmonie über alles zu stellen, leise und unauffällig zu sein. 
Aber irgendwann wird die Luft einfach dünn.
Wenn du dich oft fragst:
Dann geht´s nicht um Technik, dann geht´s um Haltung.

Meine erste Erfahrung mit Klartext
Wie ich schon im Blogartikel „Mut zur Meinung“ erzählt habe, hatte ich mich erdreistet als junge Frau einfach das Saalmikro in der Personalversammlung zu ergreifen und einen Mißstand anzuprangern.
Ich hab danach wirklich mit allem gerechnet, nicht aber damit daß alle meine Vorschläge die ich dort gemacht habe sofort umgesetzt würden. 
Nicht damit daß mich KollegInnen mit denen ich noch nie Kontakt hatte plötzlich in der Kantine grüßten und an den Tisch einluden.
Ich hatte mit Ärger gerechnet und bekam Respekt.
Und ja natürlich:
Mein Vorgesetzter war alles andere als begeistert von meiner wie er es nannte unverschämt großen Klappe. Was mich denn geritten hätte den Mund soweit aufzureißen? Was mir eingefallen sei da einfach loszumotzen.
Aber er konnte wenig tun. 
Der Mißstand war real, er mußte behoben werden und er wurde behoben.
Jemand mußte irgendwann den Mund aufmachen. Mein Geduldsfaden war halt kürzer als der der anderen.
Und das Gegenteil? Hab ich auch erlebt, ich war nicht immer so mutig.
Ungefähr ein Jahr vorher.
Es ging um eine Beförderung, eine Stelle die ich unheimlich gerne haben wollte. Zwei Bewerber, ich und ein Kollege.
Er war laut, groß, selbstbewußt wenn auch nicht sonderlich kompetent. Dafür maskulines Auftreten.
Der Vorgesetzte mochte das, er ging gerne mit ihm in die Frühstückspause, Buddys halt.
Ich war besser qualifiziert, objektiv, fachlich. 
Trotzdem hab ich bei der Diskussion nicht gewagt etwas zu sagen. 
Nicht gesagt daß ich besser geeignet wäre für die Stelle.
Ich hab mich einfach nicht getraut.
Er hat die Stelle bekommen, klar. Ich nicht.
Das hat mich gewaltig gewurmt, vor allem weil ich hinterher seine Fehler ausbügeln mußte.
ja, das ist unbequem und kostet Mut
Für dich es zu sagen, für andere unbequem es zu hören. Vor allem wenn sie nicht damit rechnen daß du so klar bist, so deutlich.
Gerade für Frauen ist dieser Spagat oft verdammt schwierig.
Klar reden aber bitte nicht „zu direkt“, „zu laut“…
Grenzen setzen, aber bloß nicht zu kalt wirken, zu energisch…
Widersprechen, aber bloß nicht zu sehr
Ganz ehrlich, hast du all diese „zu…“ schon mal gehört oder gedacht wenn ein Mann Klartext gesprochen hat?
Was hilft, um es zu üben?
Wenn du Abends mal wieder merkst: In der Situation heute hätte ich doch das und das sagen können. Verdammt warum hab ich es wieder runtergeschluckt? Oder warum hab ich das wieder nicht so gesagt wie ich es wollte?
Schreib dir den Satz auf den du da runtergeschluckt hast oder nicht so gesagt wie du es wolltest.
Dann:
Wenn du dich nächstes Mal trauen möchtest so klar zu sein. Oder auch wenn du weißt morgen ist eine Situation wo ich dies und jenes genau so klar und ohne jede Weichmachen sagen will:
Stell dich vor den Spiegel und übe deinen Satz. Das muß nicht perfekt sein, nur klar und deutlich. 

Hör ihn dir an wie du ihn sagst, spür in dich rein:
Was kommt da hoch in dir? Stolz, Scham, Angst….
Willst du weicher werden, oder klarer?
Was braucht dein Ton damit er wirkt, ohne zu verletzen?
Was kostet es uns wenn wir nicht den Mut aufbringen für Klartext?
Natürlich kostet es uns alle, die Wirtschaft, die Gesellschaft ein Heidengeld wenn Frauen nicht Klartext reden, nicht beteiligt werden deswegen. Das kannst du alles hier nachlesen.
Es kostet uns Frauen aber auch wirklich richtig Geld wie Studien über den Gender Pay Gap zeigen. 
Frauen verdienen global ca. 68,5 % eines Männerlohns. In den USA kostet das eine Frau durchschnittlich über 417.000 $ weniger auf 40 Jahre (Black/Hispanic‑Frauen sogar mehr). Die Studie ist zwar aus den USA, bei uns ist es aber nicht viel anders.
Stillschweigender Tribut im Job: Frauen, die sich nicht trauen, haben laut Sharon Rose Hayward seltener Karriere, weniger Urlaub, mehr Burnout.
Klar gibt es obendrauf auch noch gesellschaftliche und kulturelle Konsequenzen
UN Women schätzen, dass Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen global etwa 6 Billionen $ kostet – pro Jahr unwomen.org.
World Bank: Länder mit gleichen Arbeitsrechten für Frauen verzeichnen ein höheres BIP und Beschäftigungsniveau – „No women, no growth“ ist kein Slogan, sondern Realität The Guardian.
Klartext kostet dich nicht nur Mut, Schweigen kostet dich Lebendigkeit, was du verdienst, was du beitragen könntest. Wenn Frauen still sind, fehlt uns allen was. 655 Mrd $ pro Jahr – nur weil Frauen nicht mitmischen. 417.000 $ weniger pro Karriere – nur weil wir nicht reden. Das ist nicht ’nice to have‘. Das ist systemrelevant.
Du mußt nicht laut sein, um deutlich zu sein. Glaub mir der Mut ist es wert. Und es wird immer leichter je öfter du dich traust.

bis neulich dann mal wieder
Toni vom Café Ruhepol







