Humor existiert in allen Gesellschaften, überall auf dieser Erde. So vielfältig wie die Menschen sind, so vielfältig ist auch ihr Humor. Das macht ihn so wundervoll und leider auch so schwierig.
Was in bestimmtem Kontext als witzig gesehen wird kann außerhalb dieses Kontextes als geschmacklos oder mit völligem Unverständnis gesehen werden.
Warum, wieso und warum etwas nicht witzig ist werd ich heute mal genauer anschaun.
Viel Spaß dabei.
Oder mit Loriot: „Ach was?“
Albernheit als Führungsqualität?
Klingt etwas ungewöhnlich, oder nicht? So im ernsthaften Businessalltag und da wird jemand albern? Komm mit in meine Vergangenheit, ich war damals Büromanagerin und Teilprojektmanagerin in einer IT Firma. Mein erster Job in Köln.
Mein Chef war damals ein hochbezahlter Troubleshooter in großen IT Projekten, er wurde immer dann geholt wenn die Projekte kurz davor waren abzurauchen.
Diesmal saß er gleich mit einer ganzen Gruppe solcher Spezialisten im Projekt, alle hochkaräter, kompetent, motiviert und zu Tode gelangweilt. Projektstillstand, es ging einfach nichts voran, es gab Langeweile, Frust und die ersten Abwanderungsgedanken. Das wäre vermutlich das Aus fürs Projekt gewesen. Aber die Stimmung sank echt in den Keller.
Und dann kam mein Chef vom Einkaufen im Großmarkt zurück, er wollte nichts spezielles dort, aber er fand etwas spannendes.
In der Spielzeugabteilung, einen ganzen Einkaufswagen voll mit Spielzeuggewehren, die weiche Schaumstoffkugeln verschossen. Völlig harmlos, albern aber genial.
Kannst dir das vorstellen? Ein großer Büroflur und zwei Wochen Wildwest im Büro, Türen auf, DECKUNG, Kugeln flogen, Gelächter, Lachflashs, Teamgeist.
Niemand ging, Alle sind geblieben und als es endlich weiterging war das Team nicht nur vollzählig, sie waren in Bestform und super gelaunt.
Die ganze Aktion kostete nur ein paar Euro, nicht der Rede wert, aber es brachte mehr als jedes teurer Teambuilding Seminar.
Loriot, den ich sehr mag, sagte:
„Humor ist der Knopf, der verhindert, daß uns der Kragen platzt.“

Warum Albernheit so schwer ist
Gerade im Business herrscht oft die Pflicht zum Ernst.
Meetings mit Pokerfaces, Führungskräfte die sich eher an Deadlines als an Spaß erinnern. Schließlich sind wir erwachsen und keine albernen Kinder mehr, das hier ist der Ernst des Lebens…..
Albernheit gilt als unprofessionell, „sowas macht man einfach nicht“.
Ohne Spaß und Albernheit fehlt aber das Ventil. Alles wird schwer und schwierig.
Männer tun sich damit leichter, Sie dürfen eher rumalbern, grölen, Grimassen ziehen, von Kindheit an wird es ihnen eher nachgesehen, „Jungs sind halt Jungs“.
Frauen hingegen wird von Kindheit an beigebracht sich zusammen zu reißen, verantwortungsvoll zu sein, still, brav und eben nicht laut und albern.
Albernheit gilt bei Frauen schnell als peinlich und schwach. Seriosität ist da Pflicht.
Was völlig bescheuert ist, gerade gelegentliche Albernheit hält Teams zusammen, schafft Loyalität und baut Streß ab.
Humor als Brücke und als Grenze
Humor ist wenn man trotzdem lacht?
Humor ist nie neutral, er verbindet, er kann auch ausgrenzen.
Noch eine Story aus meinem Leben, ist schon mehr als 30 Jahre her, wir waren in einer größeren Gruppe unterwegs, verlängertes Wochenende gemeinsam.
Wir erzählten Witze, hatten echt Spaß, einen Witz nach dem anderen.
Alle bogen sich vor lachen, alle bis auf eine Frau, sie war eine sehr erfolgreiche Frau, selbstbewußt, stark, hochintelligent, scharfsinnig. Nur Witze verstand sie einfach nicht, die gingen komplett an ihr vorbei.
Irgendwann waren die Witze ansich zwar noch lustig, viel lustiger war aber daß wir ihr jeden Witz erklären durften, die Versuche das zu schaffen waren für alle noch viel erheiternder als der Witz an sich.
Irgendwann war es wirklich soweit, daß es reichte wenn jemand anfing mit „ok, das witzige daran ist..“ und alle lagen vor Lachen unter dem Tisch, wieder bis auf sie, sie verstand auch hier nicht was witzig war.
Ja das war nicht nett von uns, heute würde ich mir da mehr Gedanken machen darüber, sie wurde ausgegrenzt dadurch. Da ist für mich wieder eine Grenze die schwierig zu definieren ist, einerseits wird jemand ausgegrenzt wenn Witze erzählt werden, gleichzeitig ist es schwierig ein verlängertes Wochenende mit einer großen Freundesgruppe zu gestalten ohne daß jemand gelegentlich Witze erzählt.
Humor funktioniert wirklich wie ein Dialekt, wenn du ihn sprichst gehörst du dazu, wenn nicht bist du draußen.
Das kann verbinden, aber auch verletzen.
In Teams (oder langjährigen Freundesgruppen) sind es oft die Insider-Witze, die zusammenschweißen. Die allerdings auch alle die neu dazukommen erst mal draußen halten.

Humor ist so alt wie wir selbst.
Humor wuchs mit uns, schon die frühesten Vorfahren, auch die Menschenaffen, nutzten Lachen bei Spiel und Entspannung, als soziales Signal für „Alles safe, ich relaxe“
Die ältesten schriftlich überlieferten Witzen stammten aus dem alten Sumer. Also schon verdammt lange her.
In der Antike war Humor oft direkt und politisch, Aristophanes etwa entlarvte Macht durch Satire.
Im Europa der Renaissance und darüber hinaus wurden Witzbücher populär, da tummeln sich teilweise die selben Schwänke wie heute, manche Witze leben über Jahrhunderte.
Satire war und bleibt eine Waffe, schon im alten Ägypten, bei Goethe und auch heute noch.
Vielleicht mag mancher derzeitige Politiker Humor deshalb nicht.
Humor im Westen wird oft als Zeichen von Kreativität, Lockerheit und manchmal Selbstschutz gesehen, Menschen erzählen Witze, um Krisen abzuschütteln z.B.
In vielen östlichen Gesellschaften (z.B. China, Japan) gilt Humor eher als Profession, man erwartet daß wahre Experten damit umgehen.
Aggressiver, spöttischer Humor ist dort weniger populär, selbstentwaffnender, verbindender Humor ist dort beliebter.
Humorformen sind genauso unterschiedlich wie die Menschen:
in China sind es klassische Humorformen wie Wortspiele, Situationskomik oder satirische Figuren in Literatur und Theater.
Unter Mao war Humor übrigens streng reglementiert, erst seit den 1980ern wächst er wieder.
In Japan gibt es „Owarai“ im TV, eher manisch komisch, Wortspiele, absurde Requisiten und versteckte Kamera
In der arabischen Welt hat die satirische Dichtung eine lange Tradition, Kritik an Macht, Politik, Religion, sogar über Wortwitz und Höflichkeit hinweg.
Heutzutage findet Satire in den Medien und Puppenspielen Ausdruck, und ist politisch oft heikel.
Afrika und Karibik verbindet laut Wiki der Humor Tragik mit Galgenhumor, in der Karibik etwas blitzt durch Songs und Erzählkultur dieser unverwüstliche lebensbejahende Witz durch, trotz allem Leid.

Humor als Machtfrage?
Ja, Humor ist durchaus auch ein Gradmesser für Hierarchien.
Wer darf einen Witz reißen, bei wem wird der gleiche Spruch als respektlos gewertet?
Das gilt auch für die Frage ob ein Mann oder eine Frau einen Witz von sich gibt, sogar beim identischen Witz.
Ein Mann wird dafür oft als souverän gelesen, eine Frau als inkompetent, nicht seriös genug.
Klingt bescheuert, iss aber so.
Bei Albernheit ist das noch heftiger, bei Männern ist das voll im Klischee vom Kumpeltyp oder lockeren Chef wenn er albern, grob und laut ist.
Macht eine Frau das, wird es sofort als peinlich abgetan. Frauen „dürfen“ ironisch, charmant und subtil witzeln, also eher angepaßt bleiben.
Das hat ganz eindeutig auch Auswirkungen auf ihre Karriere.
Ich sag ja, klingt bescheuert, iss aber so.
Was noch alles Karrierechancen beeinflussen kann hab ich hier beschrieben, da können nämlich nicht nur Humor, sondern auch die Lesart von Worten massiv eine Rolle spielen.
Die mächtigen der Welt haben schon immer ihre Schwierigkeiten mit Humor und vor allem Satire gehabt, wer es nicht glaubt darf sich gerne hier in der ARD Mediathek das Politiker Derblecken am Nockherberg anschaun, allein Söders Mimik spricht Bände, der Rauswurf des Redners hinterher auch, da konnte mal wieder jemand den Gegenwind nicht vertragen.
Sprache, Kultureller Background und Timing machen den Witz
Humor lebt in der Sprache.
Einer meiner Lieblingsautoren, Terry Pratchett wurde in zig Sprachen übersetzt. Sein spezieller Wortwitz verliert aber unwahrscheinlich in der Übersetzung. Genauso „Doctor Who“, im Englischen witzig, im Deutschen anstrengend. Rhytmus, Wortspiele und Anspielungen sind oft nicht übertragbar.
Das gilt auch im Büro, Teams entwickeln mit der Zeit Insider-Sprache, Kürzel, Halbsätze, da reichen für die Eingeweihten kurze Blicke und alle lachen. Wer da neu dazukommt hat oft Pech, da ist es wie eine unbekannte Sprache, ein geheimer Code.
Das macht Humor stark, und gefährlich.
Für mich persönlich ist klar, Humor soll verbinden, nicht verletzen.
Ich kann mit Loriot lachen, weil er über sich selbst lacht, ich mag es gar nicht wenn andere ausgelacht werden. Schenkelklopf-Humor, der auf Kosten anderer geht, mag Quoten bringen, Verbindung eher nicht.
Auch hier wieder eine Story: Eine große internationale Show wurde hier in Köln aufgeführt, ein Zuschauer mitten aus dem Publikum wurde plötzlich angesprochen und mehr oder weniger genötigt mit auf die Bühne zu kommen. Dort wurde dann auf seine Kosten 30 Min Witze gerissen, er vorgeführt. Ich weiß, diese Art von Show und Witz ist vor allem in USA üblich und sehr beliebt, ich hab mich nur unwohl gefühlt damit und bin in der Pause gegangen.
Humor als Überlebensstrategie
Humor ist kein Luxus, es ist ein Überlebensinstink.
Menschen lachen im Krieg, im Krankenhaus, in Krisen.
Schwarzer Humor im Burnout oder in der Klinik kann mehr tragen als manche Durchhalteparole.
Galgenhumor ist kein Zeichen von Zynismus, eher von Stärke, wir nehmen dem Grauen für einen Moment die Macht.
Humor und Gesundheit
Lachen sollte es auf Rezept geben so gut tut es uns.
Cortisol und Adrenalin geht runter, die Endorphine rauf = Streßhormone gehen runter, dem Nervensystem wird signalisiert „Gefahr vorbei, alles wieder ok“.
Dadurch geht auch der Puls schneller runter, der Blutdruck sinkt.
Die Endorphine sind körpereigene Opiate, sie wirken wie ein natürliches Schmerzmittel.
Dadurch sind wir nach dem Lachen entspannter und haben weniger starke Schmerzen.
Durchs Lachen werden die natürlichen Killerzellen und andere Immunzellen aktiviert, das erhöht kurzfristig wirklich messbar die Immunabwehr.
Während des Lachens geht auch die Herzfrequenz hoch, dadurch atmen wir tiefer, bekommen mehr Sauerstoff, danach haben wir eine Entspannungsphase die fast wie eine kleine Meditation wirkt.
Und was wir alle schon erlebt haben: Lachen ist ansteckend. Wenn wir gemeinsam lachen schüttet der Körper Oxytocin aus, das Bindungshormon, das macht Teams enger und Beziehungen stabiler.
👉 Kurz gesagt: Lachen ist ein Mini-Workout für Körper und Psyche. Erst Aktivierung, dann Entspannung. Dazu ein Boost fürs Immunsystem und ein Kick fürs soziale Miteinander.
Humor im kulturellen Kontext
Darunter verstehe ich hier nicht nur wie Humor in unterschiedlichen Ländern dieser Erde völlig unterschiedlich ist. Wir wachsen immer mehr zusammen, dadurch wird genau dieser Kontext auch schwieriger.
Aber erst mal die Unterschiede in einer kleinen WitzeWeltreise:
In den USA lieben viele den schnellen Gag, den Schenkelklopfer, oft auf Kosten anderer.

In England lebt Humor von Ironie und Understatement.
In Frankreich von Wortwitz und Sprachspielen.
In Japan sind es absurde TV-Shows oder Wortspiele, die wir kaum übersetzen können.
Und in arabischen Kulturen hat Satire eine jahrhundertealte Tradition, oft als versteckter Widerstand gegen Macht.
Das zeigt: Humor ist immer ein Code. Wer ihn versteht, fühlt sich zugehörig. Wer ihn nicht versteht, bleibt draußen. Genau deshalb kann Humor in multikulturellen Teams Brücke oder Stolperfalle sein.
Ich selbst merke das jedes Mal, wenn ich Loriot schaue. Ich lache Tränen, weil er so meisterhaft über sich selbst lacht. Meine Bekannte dagegen versteht ihn nicht, ihr Humor lebt mehr vom Trash-TV. Beides ist Humor, nur mit anderen Codes.
Die Frage ist also nicht: „Wer hat den besseren Humor?“ Sondern: „Wie schaffen wir Räume, in denen verschiedene Humorstile nebeneinander existieren dürfen?“
Humor hat wie man hier sieht auch viel mit Sozialisierung zu tun, mit Bildung, mit dem Milieu in dem wir aufgewachsen sind, welche Märchen und Geschichten wir gehört haben als Kinder. So kann Humor leider auch soziale Schranken zementieren und den Aufstieg aus der „unteren“ Schicht verhindern. Du sprichst und verstehst diesen Code nicht.
Es ist irgendwie wie ein Schlüsselbund, jede:r von uns trägt eigene Schlüssel mit sich, geprägt von allem was wir bis dato erlebt und gelernt haben.
Ob wir gemeinsam lachen können hängt auch davon ab ob unsere Schlüssel zufällig ins gleiche Schloss passen.

Humor als Waffe
Humor ist heilsam und kann verbinden, er hat aber auch eine heftige Kehrseite.
Sexistische Witze sind dafür ein Paradebeispiel. „War doch nur Spaß, sei nicht so humorlos“, das ist die allseits bekannte Standardausrede, wenn Frauen auf eine abwertende Bemerkung reagieren.
Humor wird hier missbraucht, um Respektlosigkeit und Macht zu tarnen.
Wer nicht lacht wird direkt doppelt verletzt, zuerst durch die Respektlosigkeit (ich weigere mich das als Witz zu bezeichnen) und danach durch das Etikett „humorlos, zickig, zu empfindlich“.
Nein meine Herren, das ist nicht witzig, in keinster Weise lustig und definitiv kein Spaß.
Es ist Respektlos und unter aller sonstwas. Und wenn ihr ehrlich mit euch wäret wüßtet ihr das auch. Stellt euch einfach vor jemand würde so einen „Witz“ über euch machen…. Lustig?
Das genau gleiche gilt für Witze über Ausländer:innen, über „die da unten“, über jede Gruppe die eh schon weniger Macht hat als ihr. Da wird der Witz zu einer Waffe die den Status quo festschreibt. Absolut unwitzig.
Humor darf kein Totschlagargument sein um Diskriminierung hübscher zu verpacken. Auch mit hübschem Schleifchen drum rum ist und bleibt es Diskriminierung.
Humor darf kritisieren, darf entlarven und unbequem sein. Dann tritt er aber immer nach oben, nie nach unten!
Am Ende geht es nicht um Schaumstoffgewehre, nicht um Lachclubs, nicht um Wortspiele. Es geht um Haltung.
Traue ich mich, mich selbst nicht zu ernst zu nehmen?
Lache ich über mich, mit oder über andere?
Nutze ich Humor, um Mauern zu bauen, oder um Türen zu öffnen?
Denn manchmal ist genau das die größte Zumutung in einer Welt, die uns dauernd ernst haben will: Lachen. Einfach so.
Im Café Ruhepol ist Humor keine Pflichtübung. Aber er darf passieren. Er darf albern sein, schräg, leise, intelligent, Hauptsache, wir lachen miteinander nicht übereinander.
Ich liebe es zu lachen, total albern zu sein, es tut einfach nur gut.
Toni vom Café Ruhepol
