Fehlerkultur im Unternehmen, my ass

KI-Generiert
schon fast 20 Jahre her und immer noch aktuell:
Firmenfeier. Neuer CEO aus der Schweiz.
Er präsentiert stolz das neue High-End-Bügelsystem für den Haushalt.
Wir, Betriebsrätinnen, Nutzerinnen, Frauen mit normalen Frauenhänden, testen es. Denn wer benutzt wohl zum größten Teil Bügelsysteme????
Der Wassertank? Laut Beschreibung während des Bügelns nachfüllbar.
In der Praxis: glatt, ohne Griff, für uns mit einer Hand kaum zu halten, die zweite braucht Frau aber für den Wasserhahn.
Wir melden es.
Die Antwort?
Der CEO greift selbst zum Tank, hält ihn mühelos mit einer Hand.
Einer selbst für einen Mann relativ großen Hand!
„Geht doch.“
Fall erledigt.
Das Problem, wenn Macht Kritik ignoriert weil sie nicht von der „richtigen“ Stelle kommt.
Diese Szene steht exemplarisch für ein tiefgreifendes Systemproblem:
Das Ergebnis?
Eine Unternehmenskultur, die Innovation erstickt, Mitarbeitende demotiviert und Milliarden kostet.
Und dann sind da ja noch die unsichtbaren Fehler,
die unter den Teppich gekehrten.
Nicht jeder Fehler macht lautstark „Peng“. Manche schleichen sich ein. Manche sind schon lange da, wir haben nur aufgehört, sie zu sehen. Oder wir wollten sie nie sehen.
All das sind keine Einzelfälle.
Es sind systemische, schleichende Fehler, die nicht passieren, sie bleiben bestehen, weil sie nicht da sein dürfen.
„Das kann hier doch nicht sein, nicht bei uns“, „So ist er/sie halt“, „Jetzt übertreib mal nicht“.
Solange wir nur das thematisieren, was hübsch verpackt daherkommt, bleibt alles andere unter dem Teppich.
Bis irgendwann jemand stolpert.
Und dann stellen wir fest: Da lag ein ganzer Berg.

Wir verwechseln Fehler mit Schuld!
Ein klassisches Beispiel: Ein Verkehrsunfall. Autos stehen kreuz und quer. Menschen bluten, schreien. In dieser Situation fragt hoffentlich niemand als erstes: „Wer war’s?“
Man ruft den Notarzt, leistet Erste Hilfe. Die Schuldfrage kommt – später. (Also ich hoffe daß es so ist, ich glaube immer noch an das Gute im Menschen. Daran daß geholfen wird, nicht das Handy gezückt und gefilmt)
In Unternehmen ist das leider sehr oft umgekehrt:
Kaum ist etwas schiefgelaufen, wird gefragt: „Wer hat das verbockt?“ Noch bevor man versteht, was eigentlich passiert ist. Noch bevor Lösungen da sind. Noch bevor klar ist, ob überhaupt jemand allein verantwortlich war.
Schon Kindergartenkinder lernen: Wenn die Tasse runterfällt, zeigt man auf jemanden. „Der war’s.“ Fehlerkultur? Fehlanzeige. Es geht ums Schuldige-Finden, nicht ums Verstehen.
Solange wir Fehler reflexhaft mit Schuld verknüpfen, wird niemand freiwillig welche zugeben. Und genau das verhindert jede echte Lernkultur.
Ich bin ja keine für Zahlen
Was uns schlechte Unternehmenskultur wirklich kostet
Im internationalen Vergleich: Wer machts besser?
Die nordischen Länder Finnland, Dänemark, Island, Schweden und Norwegen
Das Ergebnis? Top-Platzierungen bei Innovation, Lebensqualität, Gleichstellung, und Zufriedenheit.
Estland
Israel
Diese Beispiele zeigen: Wer Fehler zulässt, schafft Fortschritt.
Lebenszufriedenheit: Die glücklichsten Länder der Welt
Laut World Happiness Report 2024 belegen Finnland, Dänemark, Island, Schweden und Norwegen die Plätze 1–5.
Deutschland? Platz 24. Mit sinkender Tendenz.
Was die Spitzenländer verbindet:
Glück ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis von Struktur.
Die Ursache: Eine Kultur der Angst und des Schweigens
In vielen Unternehmen herrscht eine Kultur, in der:
Diese Kultur führt dazu daß:

Bevor jetzt hier das Geheule losgeht von wegen Männerhass:
Es geht nicht um Männer gegen Frauen
Es geht darum, das Spiel so zu verändern, daß alle darin atmen können.
Männer, Frauen, Transgender jegliche Ausrichtung,…. JEDER
Auch Männer leiden unter dem Druck der Unfehlbarkeit. Auch Männer dürfen in diesem System keine Schwäche zeigen. Es geht um Menschlichkeit, nicht um Geschlechterkampf.
Wie wärs damit:
Feedback-Triplet:
Jede Führungskraft sammelt wöchentlich drei Rückmeldungen von jeder, aber anonym und ohne drauf zu schaun (großer Beutel zum Reinwerfen oder so): eine positive, eine neutrale und eine die richtig wehtut, ganz ohne Bewertung, nur zum Protokollieren. Kein „Gut gemacht“, kein „Schlecht gelaufen“, nur Fakten. Im nächsten Meeting teilt sie dieses Triplet, ohne Schuldzuweisungen, sondern als Datensatz für echte Veränderung.
Blinde-Punkte-Audit
Einmal im Quartal schreibt jede Abteilung anonym eigene Schwachstellen zusammen, technische, kulturelle, strukturelle. Die Liste landet unverfälscht bei der Geschäftsleitung. Ohne Rechtfertigung, ohne Verwässerung. Erst lesen, dann diskutieren: Wo verbrennt unser System Energie statt Ideen?
Ja ja ich weiß, das Audit hört sich nach beruflichem Selbstzerstückelungswahn an.
Wenn das Vertrauen nicht da ist dafür:
1. Vertrauen schrittweise aufbauen
Bevor du mit dem großen Quartals-Audit anrückst, startest du mit einem Pilot-Team, das schon offen miteinander arbeitet.
Dort testest du:
Vertraulichkeitsvereinbarung: Alle Zusagen werden schriftlich festgehalten („Was hier geschrieben wird, bleibt im Raum“).
Externer Moderator: Eine neutrale Person (Coach oder Moderator) sammelt die Punkte, filtert emotionale Ausbrüche raus und anonymisiert das Ergebnis.
Review-Session nur mit C-Level und Moderator, nicht mit allen Autor:innen, damit die Führungsebene unvoreingenommen reinhören kann.
Wenn das erste Pilot-Audit gute Erfahrungen liefert, kommunizierst du den Erfolg transparent, so wächst das Vertrauen für den großen Wurf.
2. Sicherungsnetz einziehen
Falls du direkt im größeren Kreis arbeiten willst, brauchst du Zwei Schutzmechanismen:
Anonymisierung auf zwei Ebenen
Teilnehmende schreiben ihre Punkte auf Zetteln, die eine zweite Person einsammelt und mischt, so weiß niemand mehr, wer was gesagt hat.
Die Geschäftsleitung erhält nur ein zusammengefasstes Dokument ohne Zuordnung.
Psychologische Sicherheits-Checkliste
Vor dem Audit beantwortet jede Folgendes schriftlich (Skala 1–5):
– Ich fühle mich sicher, hier meine Meinung zu sagen.
– Ich glaube, es passiert nichts Negatives, wenn ich Kritik äußere.
Nur wenn der Durchschnitt über 3,5 liegt, startest du das Audit; andernfalls führst du erst ein Vertrauens-Workshop durch.
Klingt alles sehr theoretisch? Das können wir ändern:
kleine praktische Schritte wären z.B.
Ja ja ich weiß daß das zum Handwerkszeug gehört, aber ich weiß auch, wie oft ich es im täglichen Wahnsinn vergessen habe oder es untergehen hab lassen, daher nochmal als Erinnerung.
Daily Standups so 10-15 Min lang, darin beantwortet jedes Teammitglied drei Fragen:
Wozu das Ganze?
Alternativ geht auch die verkürzte Variante:
Zeitfenster reduzieren auf 5 Minuten
Es wird nur die dritte Frage benutzt. „Wo hakt es und brauche ich Hilfe?“ Alle nennen kurz ihren Problempunkt an diesem Tag.
Nur Protokoll statt sofortiger Lösung. Jedes Teammitglied formuliert seine Probleme tatsächlich nur kurz als Info ohne sofortige Lösungsansätze. „Meine Problematik heute ist…“
Zusammenfassen und teilen. Irgendwer der/die vorher bestimmt wurde, faßt die Stichpunkte zusammen. Dann gehts weiter mit der Bearbeitung.
Jetzt gibt es eine Triage der Problempunkte. Du läßt die Liste natürlich nicht in der Ablage oder im Chat vergammeln, du richtest ein Miniverfahren ein.
Ihr kategorisiert gemeinsam die einzelnen Punkte.
Jetzt wirds interessant.
Erst einmal kümmerst ihr euch gemeinsam um die Blockaden, die müssen ja heute noch weg. Jede Blockade braucht Verantwortliche die sie übernehmen.
Also eine ganz klare eindeutige Zuordnung: Wer will sich drum kümmern? Wer holt heute Infos ein oder beseitigt die Blockade direkt?
Das wird ebenfalls notiert. XY kümmert sich um Blockade Z, update um …. Uhr. Nicht einfach zuweisen sondern von dem/derjeinigen bewußt und aktiv übernehmen lassen: „Ich übernehme Punkt …. und gebe bis … ein Update.“
Wenn jetzt klar wird da ist noch Luft, können natürlich auch die Hindernisse direkt noch verteilt werden, die müssen ja auch irgendwann vom Tisch. Prio sind aber erst mal die Blocker!
Am Ende des Tages dann Feedback an alle: die Verantwortlichen schreiben, ob sie ihre Sachen gelöst haben und wie, oder eben wo es noch hakt, was es noch braucht damit das gelöst wird.
Auf diese Weise verhinderst du, daß Punkte liegenbleiben oder versickern.
Wenn die Punkte gelöst sind feiere es mit deinem Team.
Zwei konkrete Impulse
- Schmerzpunkt Kanban: egal ob digital oder analog im Büro (je nach Vertrauen daß vorhanden ist oder eben nicht, muß es ja nicht jeder sehen können) mit den Spalten wie oben beschrieben. Jeder Eintrag hat ein Ticket mit dem Titel, dem Verantwortlichen und der Fälligkeitszeit.
Einmal am Ende des Tages einen kurzen Check im Team machen: Was ist fertig, wo hakt es noch, was rutscht. - Daily Triage machen direkt nach dem Standup so drei Minuten Extra-Time:
Frage die Verantwortlichen aus der PrioSpalte: Was blockiert dich konkret? Welche Ressource oder Info brauchst du noch? Bis wann ist der Punkt erledigt?
Ergebnisse dann als Update in den Teamchat zur Info für alle.
Analysiere erst einmal für dich wo für dich persönlich gefühlt das größte Misstrauen sitzt.
Ist es auf der Personenebene? Also: Wer schüttelt sofort den Kopf wenn Kritik laut wird? Gibt es KollegInnen, bei denen du denkst „Die nehmen mir das jetzt übel“? Schreib dir die Namen auf (Nicht als buh Liste sondern als Info) und notier bei jedem Namen einen konkrete Situation, in der für dich dieses Misstrauen sichtbar wurde.
Ich brauch glaub ich nicht betonen daß diese Eindrücke nicht immer von Aussen kommen, daher immer gut reflektieren ob es wirklich so war oder ob da was von früher in dir aufsteigt und das auslöst. Das gilt für alles was ich hier schreibe.
Ist es mehr System- oder Unternehmenskulturbedingt? Also: Wo fehlen klare Regeln für Feedback? Gibt es Meetings, in denen nur gute Nachrichten durchkommen? Notier dir wieder: Welche Rituale, Tools oder Reporting-Formate sorgen dafür, daß Kritik im Sande versickert?
Der dritte Punkt wäre die Technik oder die Prozesse: Wo läuft nur noch alles über E-Mail und CC-Listen, statt im Gespräch egal ob online oder offline. Welche Tools verstellen den Blick auf offene Fehler? Markier die Stellen im Workflow, an denen die Transparenz stockt.
Das Ziel ist ganz konkret zu erkennen WO Vertrauen fehlt, wo Infos stocken, wo Fehler untergehen. Mach es sichtbar statt es nur zu ahnen.
Wenn du deine Analyse soweit fertig hast (sie wird nie ganz fertig sein und darf ständig erneuert oder aktualisiert werden), dann gehts weiter:
Mini-Trust-Map
Mach dir eine Übersichtstabelle mit drei Spalten (Personen, Kultur, Technik). Das kann auf Papier sein, auf ner Flipchart oder digital, völlig egal, was besser für dich funktioniert.
Schreib in jeder Spalte die Ergebnisse deiner Analysen, markiere dir dabei, vielleicht mit einem Stern, den wichtigsten Punkt in jeder Zeile. So bekommst du einen ersten Überblick inklusive Priorisierung.
Danach kommt der erste Mikro-Test
Setze Vertrauensanker
Ziel ist hier vorallem: Kleine, messbare Signale zu erzeugen, kein Großprojekt sondern eine Serie von Mini-Vertrauensbeweisen.
Teams brauchen nicht nur Sichtbarkeit, sondern Verbindlichkeit.
Sammle keine unerledigten Listen, sondern schaffe tägliche Erfolgserlebnisse.
Vertrau mir:
Wenn heute noch der erste Schmerzpunkt fällt, wächst morgen das Vertrauen für dein großes Quartals-Audit. Los geht’s!

Foto gemacht von der Fotofee Christiane Schmidt
Bis neulich mal wieder
Antonia vom Café Ruhepol