In letzter Zeit ist es wieder fast täglich, ich sitze morgens beim Kaffee und scrolle durch meinen Feed. Nach meiner Überzeugung ist Deutschland ein Einwanderungsland. Schon immer gewesen, wie alle anderen Länder dieser Erde ebenso.
Aber wenn ich mich dann umschaue.
Da ist so viel Verletzung zu spüren, so viele Menschen, die wieder das Gefühl bekommen nicht dazu gehören zu dürfen.
Und so viele, die ihnen genau dieses Gefühl geben mit ihren Worten.
Warum tun wir uns so schwer damit das anzuerkennen? Wir alle leben auf dieser Erde, leben hier in Deutschland, in Europa.
Ob das jetzt der Bundeskanzler mit seinem vagen Angstmüll ist oder die AFD mit ähnlichen Parolen.
Ob das die Menschen in meiner Nachbarschaft sind, die bei der Stichwahl zum Oberbürgermeisteramt der Stadt Köln, Frau Aymaz nicht gewählt haben, weil sie ja eine Kurdin ist. Absoluter Bullshit, sie durfte kandidieren, also ist sie Deutsche. Ist mir aber an sich scheißegal.
Ist das wirklich wichtig? Sie ist hier aufgewachsen, liebt diese Stadt, will hier wirklich alles in ihrer Kraft tun um dieses Stadt wieder nach vorne zu bringen und die Probleme anzupacken.
Woher dann ihre Eltern wann nach Deutschland gekommen sind ist doch sowas von unwichtig, sie lebt hier, ist Teil von uns.
Deutschland ein Einwanderungsland
Egal wem das jetzt in den Kram passt oder auch nicht, wir sind schon sehr lange ein Einwanderungsland.
Bescheuerter Begriff, kein Land der Welt ist ohne Migration und Einwanderer.
Wer es nicht glaubt, Google ist dein Freund, schau selber nach. Oder denk selber.
Hunger, Kriege, Verfolgung aus irgendwelchen dämlichen Gründen (ja für mich ist es ein total dämlicher Grund jemanden zu verfolgen weil er ein anderes, unsichtbares, niemals wirklich fassbares Wesen anbetet als du), all das gab es schon, seit es Menschen gibt.
Maria, Josef und Jesus waren Migranten.
Sie wurden verfolgt, in ihrer Heimat war ihre bloße Existenz schon eine Bedrohung.
Sie kamen an, mittellos, ohne Papiere, angewiesen auf die Hilfe und Gastfreundschaft ihrer neuen Heimat.
Und nebenbei, egal wie sie auf all den schönen Heiligenbildern dargestellt werden, die Chance, dass sie heute definitiv im Stadtbild stören würden ist verdammt groß.
Wer gehört dazu und wer nicht?
Wer zum Teufel bestimmt das denn?
Immer öfter schäm ich mich, wenn ich höre wie der Bundeskanzler diffuse Ängste herbeischwört wenn er vom Stadtbild redet, als ob Menschen optisch zur Tapete passen müssen.
Als ob die Optik eines Menschen irgendetwas über ihn als Person aussagt.
Darüber hab ich auch schon in Rassismus in Deutschland geschrieben.

Ob ich einen Namen nicht richtig aussprechen kann, sagt doch gar nichts darüber aus, was diese Menschen können, denken oder tun. Ja zugegeben, mich nervt es auch manchmal, wenn ich mir einen Namen einfach nicht merken kann, weil er sich für mich so ungewohnt anfühlt, oder ich ihn genau deshalb nicht aussprechen kann.
So what, ich werde es lernen.
Bewerbungen, die nicht mal gelesen werden, nur weil der Name ungewohnt ist? Wir können es uns nicht leisten so viel Potential zu verschwenden, abgesehen davon, dass das menschlich unter aller Kanone ist. Rassismus, auch wenn du es nicht hören willst. Es ist Rassismus,.
Hautfarben sind genau das, Farben die Haut annimmt wenn sie über Generationen in bestimmten Gebieten einer bestimmten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Nicht mehr und nicht weniger.
Wären die blonden, blauäugigen Normannen für zig Generationen der afrikanischen Sonne ausgesetzt gewesen, wären sie jetzt vermutlich auch schwarzhaarig, und mit dunkler Haut. Lustigerweise, all die ach so deutschen Blondies…. stammen von Afrikanern ab, die vermutlich so vor gut 10.000 Jahren von dort ausgewandert sind, also vermutlich schwarze Haut und Haare hatten. Was die Sonne nicht alles schafft.
Genaue Links zu diesem und anderen Themen und Zahlen hier hab ich wie immer unten zusammengestellt.
Das lässt sich ja ganz einfach mit Genanalysen feststellen.
Wovor haben wir denn wirklich so viel Angst?
Schau mal in andere Länder, da sitzen Leute am Frühstückstisch und quatschen in 4 verschiedenen Sprachen, und keiner hat Angst. Wieso klappt das gerade in Deutschland so gar nicht?
Wovor haben wir hier so viel Angst? Warum können wir zwar wunderbar mit den Küchen der Welt umgehen, aber nicht mit den dazu gehörigen Menschen, Religionen und Kulturen?
Könnte mir das bitte mal jemand erklären? Ich verstehe es nämlich definitiv nicht.
Woher dieser abgehobene Überlegenheitsanspruch, als ob die Tatsache deiner Geburt in einem bestimmten Gebiet dieser Welt, von Eltern die schon mehr als keine Ahnung wie viele Generationen lang hier leben, irgendeine Leistung wäre.
Oder ist es eine Leistung die irgendwer erbracht hat, welche Haut- oder Haarfarbe jemand hat?
Natürlich hat Deutschland, genau wie jedes andere Land auch eine eigene Kultur. Die ist über Jahrhunderte gewachsen, mit ganz vielen Einflüssen von Menschen, die auch damals schon von überall her gekommen sind. Ob sie jetzt gekommen sind als Soldaten (ich hab damals in Heimatkunde gelernt, dass die schwedischen Soldaten im 30 jährigen Krieg bis Rosenheim kamen), oder die Römer, die ja überall rumlungerten.
Egal woher, es kamen immer, zu jeder Zeit, Menschen aus anderen Ländern, anderen Kulturen zu uns und haben unsere Kultur mit geformt.
Was schon immer war: Diese Angst und Ablehnung von allem Fremden. Früher sicher auch teilweise berechtigt, alles was wir nicht kannten war erst einmal gefährlich. Fremde Soldaten waren definitiv gefährlich, selbst wenn sie nur aus der Nachbargrafschaft kamen.

Aber heute?
Wir können uns informieren über alle Völker und Kulturen, zwei Mausklicks und wir haben alle Infos.
Was ist heute die große Gefahr?
Was ist unsere christliche Kultur denn wert, was an ihr ist so wert geschützt zu werden von jedem Einfluss anderer Religionen, wir leben dieses christliche doch nicht mal.
Jesus würde sofort abgewiesen werden, er bekäme genauso wenig Asyl wie seine Eltern.
Ich versuche mir immer die andere Seite vor Augen zu führen.
Wie schrecklich muss es für mich hier sein, wie viel Angst und Verzweiflung bräuchte es, dass ich alles was ich liebe, was ich kenne, meine Sprache, meine Kultur, alle Menschen die ich liebe zurücklasse und mich auf eine Reise mache. Wie schlimm müsste für mich der Hunger, die Hoffnungslosigkeit oder die Angst im Krieg sein, um das zu tun?
Eine Reise, die evtl. Wochenlang geht, sehr gefährlich ist, um in ein Land zu kommen von dem ich kaum etwas weiß, außer dass es mir und meiner Familie dort vielleicht besser geht.
Wie verzweifelt müsste ich sein, diese Gefahren, diese Strapazen auf mich zu nehmen für so wenig Hoffnung? Egal ob ich jetzt meine engste Familie mit mir nehme und sie auch riskiere, oder ob ich alleine losziehe in der Hoffnung sie nachholen zu können.
Das Bild der „Ausländer“ in unseren Köpfen und in Wirklichkeit
Wenn ich mir diese diffusen Andeutungen des Kanzlers anhöre, dann müssen alle Ausländer (oder die die so aussehen) ja fürchterlich sein. Alle kriminell, gefährlich, überfallen Frauen, stehlen und morden nur so vor sich hin.
Darüber habe ich auch in folgendem Blogartikel Häusliche Gewalt, und außer Haus? ausführlich geschrieben. Dort sind auch viele Hilfsangebote und stille Signale aufgeführt.
Aber schauen wir uns doch mal die Realität an:
Unsere Krankenhäuser, Altenheime, Arztpraxen, die gesamte Gesundheitsversorgung würde auf dem Stand zusammenbrechen ohne die bösen Migranten. Dabei ist völlig egal welche Staatsangehörigkeit die betreffenden haben.
Gastronomie wäre ohne all die Menschen aus allen Ländern gar nicht mehr machbar und schrecklich langweilig.
Egal in welchem Job wir schauen, überall wäre es ohne die migrantisch gelesenen Menschen unmöglich.
Hier in Köln bei Ford haben in den 70er Jahren ungefähr 12.000 bis 14.000 Menschen gearbeitet, davon waren ungefähr 10.000 sogenannte Gastarbeiter. Merkste was?
Der gefährliche, kriminelle Ausländer?
Ok, da kommt also jemand, oft junge Männer, logisch, die sind am kräftigsten, werden eher nicht vergewaltigt und können die Strapazen am besten aushalten, in Deutschland an.
Sie sind ziemlich erschöpft, traumatisiert und voller Hoffnung, jetzt endlich ihr Leben, und das der Menschen die sie lieben in eine bessere, sicherere Zukunft führen zu können.

Dann werden sie erst einmal wie Schlachtvieh behandelt. Wenn sie es denn bis Deutschland geschafft haben, nicht unterwegs schon abgefangen und zurück geschickt wurden, misshandelt wurden, in Auffanglager gesteckt in Marokko oder sonst wo.
Sie bekommen keine Hilfe sondern erst mal Misstrauen. Bürokratie und Ablehnung. Das absolute Minimum zum Leben, keine Chance arbeiten zu dürfen, die Sprache zu lernen etc. Sie werden in Asylantenunterkünften eingepfercht mit viel zu vielen andern Menschen zusammen auf engstem Raum, Menschen die ebenso traumatisiert sind, ebenso verzweifelt und frustriert wie sie selbst.
Es ist laut, kaum Privatsphäre vorhanden, Aggressionen kochen automatisch hoch. Als ob das bei uns nicht genauso wäre.
Ich brauch mir nur vorzustellen, wenn ich den ganzen Tag in der Stadt unterwegs bin, gerade jetzt im Advent, und dann heimkäme, in meiner kleinen Wohnung würden 10 Leute um mich rum wuseln, sich lautstark unterhalten, irgendwer sitzt auf meinem Bett, ich würde an die Decke gehen.
Ich wäre völlig überfordert damit.
Meine Familie daheim würde darauf warten, dass ich endlich Geld und Lebensmittel aus Deutschland schicke, damit sie dort überleben können. Kann ich aber nicht schicken, ich kann ja nichts verdienen und das was ich selber bekomme reicht kaum zum Überleben. Ich mach mir Sorgen um meine Liebsten, sie fehlen mir so sehr…..
Was würde ich an Stelle dieser Menschen machen, dieser jungen Männer?
Genau das was die auch machen. Sie treffen sich irgendwo in der Stadt, wo es immer noch leiser und ruhiger ist als in der Unterkunft, mit ihren Freunden oder Menschen aus ihrer Heimat, etwas was ihnen vertraut ist.
Wenn ich auf Dauer nicht arbeiten darf, keine Möglichkeit bekomme, meiner Familie zu helfen oder sie gar zu mir in Sicherheit zu holen, ich bin mir sicher, ich würde auch in Versuchung kommen kriminell zu werden. Vor allem mit Dingen die in meiner Heimat vielleicht nicht ok aber zumindest geduldet wären.
Dass sie es hier nicht sind, konnten sie ja bisher nicht lernen, sie sprechen die Sprache nicht, bekommen kaum Hilfe und Unterstützung, nur Ablehnung.
Das macht doch etwas mit den Menschen.
Die bösen „Gastarbeiter“
Als Deutschland nach dem Krieg immer mehr Arbeitskräfte brauchte, wurden welche angeworben, in Italien, Spanien, der Türkei und anderen Ländern.
Max Fritsch sagte schon 1965 „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen„.
Daran hat sich leider bis heute nix geändert.
Schon damals wollten vor allem Deutschland und die Schweiz die Arbeitskraft, waren aber nicht bereit, diese Menschen einen Teil der Gesellschaft werden zu lassen.
Trotzdem haben diese Menschen sich den Allerwertesten aufgerissen, haben hier gebuckelt bis zum Umfallen, obwohl sie wie Vieh behandelt wurden. In Lager eingepfercht wurden, ohne ihre Familien, unter Bedingungen gearbeitet haben, die an Sklaverei erinnerten.
Heute leben ihre Enkel, teilweise Urenkel mit uns. Sie sind hier geboren und aufgewachsen, und trotzdem lassen wir sie immer noch nicht Teil dieser Gesellschaft sein.
Ganz ehrlich, viele davon können erheblich besseres Hochdeutsch als ich.
Sie arbeiten genau wie alle anderen, zahlen hier Steuern, verlieben sich, bekommen Kinder, engagieren sich, sind gesund, krank, stark, schwach… MENSCHEN. Ganz normale Menschen.
Was die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gerade veröffentlicht hat:
Rund 125.000 Menschen in Deutschland sind staatenlos – das heißt, sie haben keinen Pass, kein Wahlrecht, keine Freizügigkeit. Und das obwohl viele von ihnen seit Jahren hier leben und in Deutschland geboren sind. „Staatenlose Menschen und Menschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit sind besonders gefährdet, diskriminiert zu werden“, sagte Ferda Ataman auf der Statefree-Konferenz. Vieles, was für andere selbstverständlich ist, wird ihnen erschwert. So können Staatenlose in Deutschland oft nicht studieren, arbeiten oder zum Arzt gehen.

Verdammt, das können wir doch besser
Schauen wir doch mal nach Luxemburg, Schweden oder den Niederlanden, dort leben diverse Kulturen friedlich zusammen, es werden verschiedene Sprachen gesprochen, nicht nur unterschiedliche Diaklekte.
Wenn die das können, dann können wir das doch auch schaffen. Gemeinsam etwas entwickeln, von anderen Kulturen lernen.
Wir dürfen wieder neugierig sein, nicht immer nur „das war schon immer so“. Schon immer hat uns doch in die Misere gebracht in der wir gerade sind.
Niemand ist illegal, wir machen die Menschen nur dazu. Was kann ein Baby dafür, dass seine Eltern keine Papiere hatten? Es ist hier geboren, wächst hier auf.
Wir alle sind Teile dieser Gesellschaft, dieser Welt.
Völlig egal woher auf dieser Erde wir kommen, wir kommen von ihr.
Bis demnächst
Toni vom Café Ruhepol








