Barrierefreiheit
Du kommst hier nicht rein, Barrierefreiheit zwischen Hochglanz-Versprechen und Alltag.
Ich wollte nur Heim. 20 Meter, einmal quer über den Innenhof. Für alle anderen ein schneller Schritt, 10 Treppenstufen, fertig. Für mich mit meinem Rollator mal eben ein Umweg um den ganzen Häuserblock.
Barrierefreiheit steht heute auf jeder Unternehmenswebsite. Klingt gut. Fühlt sich modern an. Inklusion, Diversität, all das. Aber wie oft ist es nur ein leeres Versprechen? Ein hübscher Satz auf der Website – und sonst nichts?
Da scheitert es nämlich oft bei ganz vielen schon.

Hochglanz außen, Stolperfallen innen
In Unternehmen sehe ich es immer wieder: schicke Empfangsbereiche mit Glasfront und Smarthome-Touchscreen. Aber wo ist die Klingel, die ich vom Rollstuhl aus drücken kann? Wo ist die Tür, die sich automatisch öffnet, wenn ich keine Hand frei habe, weil ich mich abstützen muss?
Und wenn ich es dann tatsächlich ins Gebäude geschafft habe – komme ich ins Büro? Oder endet mein Besuch in der Sackgasse vor einer zu schmalen Tür, einer Treppe ohne Aufzug oder einem Flur, den der Dekotisch zur Engstelle macht?
Der öffentliche Raum, gebaut für gesunde Menschen, nicht für alle.
In Köln muss ich jede Fahrt mit der KVB planen wie eine Expedition: Welcher Bahnsteig ist stufenlos erreichbar? Wo funktioniert der Aufzug wirklich, und nicht nur in der App, wo gibt es überhaupt einen? Und was ist, wenn ich umsteigen muss, und der nächste Aufzug ist defekt? Das bedeutet Umwege, Zeitverlust, Stress.
Von der Deutschen Bahn braucht man gar nicht anzufangen.
Ja, es gibt Rampen. Irgendwo, im Kleinkindabteil, abgeschlossen, verwaltet vom Zugpersonal, das entweder überlastet ist oder es schlicht vergisst.
Das ist keine Hilfe. Das ist Symbolpolitik aus Aluminium.
Wenn jemand einen der Aufzüge benötigt, die es gelegentlich gibt, und damit den Mobilitätsservice der DB, muß die Fahrt 2-3 Tage vorher angekündigt werden und sie darf nicht länger als bis 20.00 dauern.
Keine Frage es ist toll, daß es den Hilfsservice der DB überhaupt gibt, noch toller wäre es wenn er nicht benötigt würde. Wenn Fahrten so einfach spontan möglich wären, einfach so.
Öffentliche Gebäude und so
Ich liebe ja Museen. Die müssen ja wie alle öffentlichen Gebäude auch „Behindertentoiletten“ haben. Ich find das Wort schon bäh. Ich bin nicht behindert, ich hab nur andere Ansprüche oder Anforderungen.
Ja sie haben solche Toiletten, im Wallraff-Richards Museum zum Beispiel, eines meiner Lieblingsmuseen übrigens, die Kurse vom Museumsdienst sind großartig, gibt es eine solche Toilette, unten im Eingangsbereich, direkt neben der Garderobe.
Abgeschlossen, weil sonst ständig Leute, die sie nicht benötigen dort reingehen würden. Also darf jede die sie tatsächlich braucht wie ich, immer an der Garderobe fragen ob sie bitte mal aufs Klo darf.
Ich kann also nicht wie jede andere Besucherin einfach dezent gehen. Fühlt sich irgendwie doof an. Entmündigt.
Ihr meint es ernst mit Inklusion? Fangt bei der Tür an.
Barrierefreiheit heißt: Ich komme rein, ohne Hilfe, ohne Antrag, ohne Demütigung.
Das ist keine ISO-Norm, das ist die Frage: Wer darf mitspielen, und wer nicht.
Neulich hat mir jemand erzählt von einer Frau, die aus alten Legosteinen Rampen baut. Wie geil ist das denn bitte? Nicht aus Budgettöpfen, nicht mit DIN-Zertifikat und Firma dahinter. Mit gesundem Menschenverstand und einer Botschaft, die klarer ist als jeder Barrierefreiheitsreport:

Wenn Menschen nicht reinkommen, ist das Problem nicht der Rollstuhl – sondern die Tür.
Rita Ebel, auch bekannt als die „Lego-Oma“, hat inzwischen über 100 Rampen gebaut – ehrenamtlich, bunt, funktional. Nicht nur in Deutschland. Auch in Paris, Turin, den USA. Ihre Rampen machen sichtbar, was oft unsichtbar bleibt: Wer nicht mitgedacht wird, wird ausgeschlossen. Punkt.
Zur Geschichte der Legorampen (Aktion Mensch)
„Man kann so vieles mit diesen Rampen ausdrücken. Nicht nur ‚Der Ort ist jetzt barrierefrei‘, sondern auch ‚Hey, da ist zwar eine Stufe, aber auch die können wir überwinden‘.
Das ist konstruktive Kritik, die niemanden persönlich trifft – und es sieht super aus und bringt uns weiter.““Engagement steckt einfach an – vor allem, wenn die Idee so bunt und vielfältig ist wie die von Caroline Mülheims. Im Jahr 2017 hatte die Studentin gemeinsam mit dem Verein „junge Stadt Köln“ die Idee, ehrenamtlich für öffentliche Orte in Köln Rollstuhlrampen aus Lego zu bauen; das Projekt „100 Rampen für Köln“ war geboren. Schnell haben sich die Legorampen zu einer beliebten Möglichkeit entwickelt, Orte barrierefreier zu machen – und Menschen im Rollstuhl nicht länger auszuschließen.
Wo ein Wille da gibt es auch einen Weg. Immer.
Mal drei Fragen an EntscheiderInnen:
Was zum Kuckuck haben wir davon?
Barrierefreiheit kostet, vor allem nachträglich. Keine Frage, sie kostet Geld, Zeit, Umbau und Umdenken. Aber sie zahlt sich halt auch für alle aus, auf lange Sicht.
Barrierefreiheit ist kein Extra
Sie ist die Basis. Wer es ernst damit meint, plant sie für jetzt, nicht für irgendwann. Baut sie jetzt, wenn es sein muß auch aus Lego, aus Haltung und dem ehrlichen Wunsch, daß alle rein dürfen.
Denn am Ende geht´s nicht um Stufen oder Toiletten, es geht darum „wer gehört dazu“?
Das wars für heute mal wieder, bis neulich. Antonia vom Café Ruhepol

Liebe Antonia, ich glaube oft, dass Unternehmen und Kommunen gerne ein Label haben wollen, aber nur das Allernötigste dafür tun. Und das Allernötigste ist nicht immer das, was gebraucht wird, sondern das, was in den Vorschriften steht.
Ein bisschen sehe ich das auch in der Gestaltung des Verkehrs für Menschen zu Fuß oder mit dem Rad. Da denke ich auch oft: Wer das geplant hat, fährt nie selbst Fahrrad oder schiebt einen Kinderwagen.
So eine Rampe habe ich selbst mal gesehen, bei einem Abstecher nach Friedrichstadt. Wusste erst gar nicht, warum die da war, so bunt und dekorativ und praktisch. Das habe ich dann auch erstmal recherchiert. Wie interessant, dass Privatmenschen mit Herz und Kreativität die Welt barriereärmer machen.
Bis wir so weit sind, dass Inklusion keine große Gnade mehr ist, sondern Selbstverständlichkeit, brauchen wir wohl noch ein paar Blogartikel wie deinen.
Liebe Grüße
Angela
Angela, wenn ich mir Gehwege und Radwege anschau denke ich mir das auch oft. Oder neugebaute Häuser, mit Aufzug der aber erst auf halber Höhe zum 1. Stock anfängt und dann immer zwischen den Stockwerken hält. Niemand die jemals mit Kinderwagen, Fersenporsche, Rollstuhl oder Rollator unterwegs war würde so einen Schwachsinn planen. Ich kenne hier leider mehrere Häuser die so geplant und gebaut wurden.
Es könnte so simpel sein Teilhabe zu ermöglichen, eine einfache Rampe würde schon so vielen helfen.
lieben Gruß
Toni