Ich kann es echt nicht mehr hören. „diese Ausländer überrennen uns noch“, „die sind doch gefährlich“, „die nehmen uns alles weg“, „die gehören nicht hierher“, „wir sind doch mit der christlichen Kultur aufgewachsen und verwachsen“, „die passen nicht zu uns“ …..
Oder was ich die Tage ständig höre: „also diese Frau kann doch nicht Kölner Oberbürgermeisterin werden, das ist doch eine Türkin, die kann ich nicht wählen.“
Solcher BS erzeugt nicht nur in den Betroffenen einen Dauerstress, der einfach kein Durchatmen ermöglicht.
„Nein, wir sind keine Rassisten, aber….“ ähm doch, ihr seid Rassisten. Wer solche Bemerkungen von sich gibt ist einer. Fakt.
Eine meiner Lieblingsbemerkungen: „Früher war das alles nicht so, da war alles besser…“
Wann früher? Das ist schlicht Bullshit und ich zeige auch warum.
Migration als neues, gefährliches Phänomen
Migration gibt es seit es Menschen gibt. Das ist beim besten Willen nichts neues.
Es gab immer Völkerwanderungen, wegen Hunger, wegen Kriegen, wegen Naturkatastrophen, wegen Handel oder Religion. Langfristige Sesshaftigkeit war die Ausnahme, nicht die Regel.
Die Fremden von gestern, sind die Alteingesessenen von heute.
Ein paar Beispiele:
Dann kamen die Römer, die hatten Soldaten von überall her in ihren Legionen, Nordafrika, Syrien, dem Balkan. Wenn die dann entlassen wurden, haben sie sich niedergelassen wo sie gerade waren. Das war dann z.B. auch bei uns.
im 17. jhd kamen die Hugenotten, die haben Berlin damals stark geprägt.

Echt Deutsch, was ist das eigentlich genau?
Gerade die Freunde der Partei die ich nicht mal aussprechen will, betonen ja immer dass sie das echte Deutsche bewahren wollen. Was genau bitte?
Unsere Sprache ist beeinflusst von Latein, Französisch, Englisch, Slawisch.
Unsere Speisen, Kartoffeln, Kaffee, Tee, Gewürze…. alles nicht echt Deutsch.
Unsere Gene? Die sind wie oben gezeigt schon immer bunt durchmischt quer durch die Welt.
Die Grenzen sind willkürlich, auch schon immer gewesen. Wenn wir es ganz genau nehmen, war Goethe eigentlich kein Deutscher, Deutschland gab es damals noch nicht.
Worauf gründet sich also dieser Nationalstolz?
Was genau ist die vielbeschworene Identität die es so krampfhaft zu bewahren gilt?
Bei der Gelegenheit hab ich mal überlegt, wäre ich echt Deutsch? Vermutlich nicht.
Mein Vater war Österreicher, ich hab erst seit ich 13 war einen deutschen Pass. Meine Mutter ist aus Katowitz nach Dresden geflohen. Da ist auf beiden Seiten wohl auch so einiges drin was die vermeintliche Alternative wohl als Undeutsch verteufeln würde.

Die christliche Kultur, die bewahrt werden muss
Die von hier kommt, die kam nämlich auch nicht aus Europa sondern aus dem Gebiet des jetzigen Palestina.
Maria und Josef würden heute vermutlich an der Grenze abgewiesen werden, dunklere Hautfarbe, schwarze Haare, passen nicht ins blond/blauäugige Weltbild.
Ja die waren nicht hellhäutig mit blauen Augen, egal wie viele Bilder sie so dargestellt haben.
Wie ich mich noch aus meinem Religionsunterricht erinnern kann, bedeutet christliche Nächstenliebe genau das, den Nächsten zu lieben. Ich hab da nie etwas gelesen von „ja aber nur wenn er so ist wie ich mir das vorstelle“.

Christliche Nächstenliebe in der Realität
Zig Umfragen belegen, dass Migranten, oder einfach Menschen, deren Namen nicht gewohnt Deutsch klingen, massiv benachteiligt werden wenn sie einen Job suchen, bei Ämtern, auf der Wohnungssuche, ja sogar in der Schule bekommen diese Kinder schlechtere Noten. (ich kleb die Links ganz unten unter den Beitrag)
Als Frau Merkel damals gesagt hat „wir schaffen das“ hatte sie vollkommen recht. Die meisten dieser Menschen von damals haben Jobs und zahlen heute Steuern.
Weil der politische Wille da war und etwas bewegt hat. Es wurden Deutschkurse angeboten, bei der Bürokratie wurde geholfen und sie menschenfreundlich gemacht anstatt wie derzeit möglichst abstoßend.
Wenn wir wollten könnten wir so vielen Menschen auch heute schnell und sinnvoll helfen, sich hier zuhause zu fühlen, sich zu integrieren.
Ist das die christliche Kultur die unbedingt beschützt werden muss? Ernsthaft?
Ständig wird von illegaler Migration gesprochen, und dabei verschwiegen, dass legale Wege mehr oder weniger unmöglich gemacht wurden. Anstatt verzweifelten Menschen zu helfen, haben wir Angst um unsere Leberkässemmeln.
Wenn wir nach z.B Bali auswandern, weil dort das Wetter schöner ist, weniger Bürokratie und wir mit unserem viel höheren Einkommen dort leben können wie die Könige sind wir Expats und erwarten mit offenen Armen aufgenommen zu werden.
Wenn Balinesen zu uns kommen wollten, um auch so viel zu verdienen, dann sind es plötzlich unerwünschte Ausländer, denen das Leben so schwer wie möglich gemacht wird.
Sprache ist auch hier wieder aufschlussreich
Wie oft hab ich schon gehört wenn sich darüber lächerlich gemacht wird oder ganz empört „nix darf man heute noch sagen“
Ja der Mohrenkopf ist heute ein Schaumkuss, weil die Kolonialgeschichte nicht besonders hübsch ist, und verdammt nochmal nicht ok war mit den Menschen dort. Ich hab als Kind auch nicht drüber nachgedacht, für mich war das Bild auf der Sarottischokolade exotisch und schön, die Geschichte dahinter kannte ich nicht.
Heute weiß ich, das sich Menschen von solchen Ausdrücken oder Bildern verletzt fühlen, also unterlasse ich sie. Dabei geht es nicht um „political correctness“, sondern darum, dass diese Worte für Menschen, die heute hier leben immer noch täglich spürbar machen: „Du gehörst nicht dazu“. Das ist keine Übertreibung, das ist verbale, psychische Gewalt im Alltag.
Viele fühlen sich hier überrannt, sie reagieren mit Abwehr anstatt sich ihre Überforderung einzugestehen. Ähnlich ist es ja auch beim Gendern wie ich in Gendern, das Schreckgespenst der Sprache beschrieben habe. Wenn du mal ne Pause hast schau ruhig mal rein.
Alles übertrieben, die sollen sich nicht so anstellen?
Im 17. und 18. Jahrhundert betrieben europäische Kolonialmächte – darunter auch deutsche Kaufleute, regen Handel mit Afrika. In dieser Zeit war es üblich, Schwarze Menschen als „Mohren“ zu bezeichnen. Das Wort war nicht harmlos, sondern eng mit der Rolle als Ware und Diener verbunden.

Für mich war ‚Mohrenkopf‘ als Kind nur ein süßes Gebäck. Aber die Geschichte dahinter ist bitter. ‚Mohren‘, das waren für die Kolonialherren keine gleichwertigen Menschen. Sie waren Diener, Ware, Besitz.
Kinder wurden an europäischen Höfen gehalten wie exotische Haustiere.
Auf Kakaoplantagen schufteten Schwarze Männer und Frauen, damit in Europa Schokolade zum Luxusgut wurde, mit dem lächelnden ‚Sarotti-Mohr‘ als Werbefigur.
Das Wort steht nicht für Süßes, es steht für Ausbeutung.
👉 Das macht klar: „Mohr“ war nie neutral. Es war immer die Sprache der Kolonialherren, die Schwarze Menschen als fremd, untergeordnet, verfügbar markierte.
Würdest du dich verletzt fühlen, bei dem Hintergrund? Also ich definitiv.
Und nur mal so am Rande, auch diese „Mohren“ wurden definitiv auch Eltern, oft mit weißen Besitzern zusammen, sie waren ja exotisch und verfügbar, da sie nur als Besitz gesehen wurden und keinerlei Rechte hatten. Diese Kinder und ihre Nachfahren sind auch in unseren Blutlinien.
Über Rassismus in Deutschland habe ich auch schon einen Blogbeitrag geschrieben (und das hier wird auch nicht der letzte bleiben, solange es notwendig ist werde ich über die Themen schreiben)
Wir brauchen Migranten, wir können gar nicht ohne
So aus reiner Selbstsucht, ohne „moderate“ Zuwanderung klappt hier bald gar nichts mehr.
Ohne lockere 300.000 Migranten pro Jahr fehlen uns bis 2040 mal eben 4,5 Mio Erwerbstätige. Knapp 750.000 Geflüchtete arbeiten derzeit in Deutschland, allein im Osten Deutschlands (für ganz Deutschland hab ich keine Zahl gefunden) erwirtschaften „Ausländer:innen“ ca 25 Mrd. im Jahr.
Ohne Migranten bricht bei uns direkt die Pflege, Kitas, Bauwirtschaft und Landwirtschaft zusammen. Dass unser Rentensystem ohne die bösen Ausländer sofort kollabieren würde brauch ich wohl nicht extra dazusagen.
Stell dir vor: Deutschland würde 10% seiner Arbeitskräfte verlieren, Branchen die das besonders treffen würde, Pflegeheime in denen unsere Eltern und Großeltern sind, Höfe auf denen niemand mehr die Ernte einbringt.
Migration ist also kein Gefallen den wir anderen Menschen tun, es ist für uns selbst überlebenswichtig. Dafür müssen wir aber auch etwas tun, vernünftige Sprachkurse anbieten, Teilhabe ermöglichen, alle fair behandeln.
Diese Menschen sind/werden Teil unserer Gemeinschaft sein. Sie geben so viel, wenn wir sie lassen. Geben wir ihnen doch auch mal ne Pause, lassen sie hier ankommen und durchatmen.
Wenn wir schlau sind, handeln wir jetzt und nehmen sie mit offenen Armen auf und geben ihnen alles was sie für eine gute Integration brauchen. Damit sie sich bei uns auch zuhause fühlen. Wenn wir es gemeinsam machen sind sie für uns auch nicht mehr Fremde sondern bald Freunde.
Aber die nehmen uns alles weg, nur wegen denen…
Was nehmen sie uns denn weg?

Auch Deutsche waren mal Flüchtlinge, als es hier eine fürchterliche Diktatur gab und Krieg.
Ist noch gar nicht sooo lange her. Da wurden wir aufgenommen, bekamen Unterkunft, was zu essen und Arbeit.
Klar, das ist ganz was anderes.
Mal wieder ein Gedankenspiel:
Wenn wir allen die zu uns kommen, mit Wohlwollen und Empathie begegnen anstatt mit Misstrauen und Neid, wenn wir ihnen eine menschenwürdige Unterkunft geben, Deutschkurse, Integrationskurse und ihnen helfen sich hier wohlzufühlen.
Dann gäbe es viel weniger Verzweiflung, weniger Kriminalität (wer nicht mal das Existenzminimum bekommen soll wird halt stehlen, würden wir genauso machen, oder würdest du deine Familie hungern lassen wenn du irgendwas dagegen tun könntest?)
Die Angst vor Überfremdung
Ich kann viele der Ängste verstehen.
In meiner Kindheit gab es weit und breit ein dunkelhäutiges Mädchen, Tochter eines GI mit einer Deutschen. Vor einer Weile hab ich das Klassenfoto meines Neffen gesehen, gleiche Schule, nur die Hälfte der Kinder waren weiß.
Im ersten Moment war ich auch befremdet, ich bin auch dem Dorf aufgewachsen, nicht in der Großstadt, trotzdem sind es einfach Kinder.
Wenn ich jetzt durch die Straßen gehe sehe ich Kleidung von allen möglichen Kulturen, sehe Menschen mit allen möglichen Hautfarben und Sprachen.
Ich sehe Lokale in denen ich Speisen aus allen Ländern der Welt serviert bekomme.
Im Supermarkt kann ich Lebensmittel kaufen die ich als Kind nicht gekannt habe.
Es ist ungewohnt, die Welt ändert sich. Nur, das hat sie schon immer getan und wird sie immer tun. Die gute alte Zeit gab es nie.
Früher war alles besser?
Für wen denn?
Für Frauen, die nicht mal ein eigenes Bankkonto haben durften?
Für Homosexuelle die ins Gefängnis kamen nur weil sie jemanden lieben?
Oder für Arbeiter:innen, die keinerlei Rechte hatten?
Was war da besser und für wen?
In Wer ist eigentlich „das System“? habe ich darüber geschrieben, wie Frauen teils heute noch gefangen sind in diesen Geschichten.
Solche Parolen halten uns im permanenten Verteidigungsmodus, nehmen wir uns doch mal Auszeiten von der Angst und machen Pause für Reflexion.
Die sollen bleiben wo sie herkommen, die kommen doch nur weil sie unseren Sozialstaat aussaugen wollen
Niemand, wirklich niemand verlässt seine Heimat freiwillig, einfach so aus Jux und Tollerei.
Lässt alle Menschen die man liebt, die Vertraute Umgebung, Sprache und Kultur hinter sich, nimmt die Strapazen und Gefahren auf sich, um dann hier ein bisschen Geld abzugreifen.
Wer das alles auf sich nimmt ist extrem verzweifelt.
Flucht ist kein Abenteuer, es ist eine lebensgefährliche Strapaze. Wie kann irgendwer, der sich christlich nennt oder von christlicher Kultur spricht Menschen auf dem Meer einfach ertrinken lassen, sie in Lager pferchen oder zurück in die Kriegsgebiete schicken wollen?
Wie kann ein Christ das tun? Auch nur daran denken?

Vielfalt ist kein Risiko, keine Gefahr, sie ist die Basis unserer Zukunft.
Wir haben kein Zuviel an Migranten, wir haben ein Zuviel an Heuchelei, ein Zuviel an Hass und Gier, und definitiv ein Zuwenig an Menschlichkeit und christlicher Nächstenliebe.
Ich bin auch christlich erzogen worden. Als Unternehmerin frage ich mich heute, wo ist diese christliche Nächstenliebe, von der uns unser Pfarrer immer erzählt hat?
Im Café Ruhepol versuche ich zu leben, was ich für die Essenz der Bibel halte, hier sind alle willkommen, unabhängig von Herkunft, sexueller Ausrichtung, Religion und Hautfarbe.
Hier muss sich niemand rechtfertigen oder kämpfen um sein zu dürfen.
Wer heute noch davon spricht die christliche Kultur des Abendlandes bewahren zu müssen, und gleichzeitig Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, den Genozid in Gaza ignoriert und klein redet, gesuchten Kriegsverbrechern wie Putin und Netanjahu die Hand reicht und sie öffentlich einlädt, ist schlicht ein Heuchler.

Mal wieder ein schwierigeres Thema und bestimmt nicht das letzte Mal dass ich mich drüber auslasse.
Toni







